Im Schlafwagen quer durch Europa: Diesen Traum vieler Eisenbahn-Romantiker hielt zuletzt vor allem die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) am Leben.
Sie bietet Nachtzugverbindungen unter anderem nach Italien, Deutschland, in die Schweiz, die Niederlande oder nach Osteuropa an. Die Züge werden teils zwar auch von der Deutschen Bahn betrieben. Doch ein eigenes Angebot hat der bundeseigene Konzern mit Verweis auf die geringe Nachfrage bereits vor Jahren eingestellt. Nun will er sich wieder stärker daran beteiligen.
Gemeinsam mit der ÖBB, der Schweizerischen Bundesbahn (SBB) sowie dem französischen Staatskonzern SNCF will die Deutsche Bahn in den kommenden Jahren die Nachtzugverbindungen in Europa wieder ausbauen. Dazu unterschrieben die jeweiligen Konzernchefs nun eine gemeinsame Absichtserklärung.
Schon in einem Jahr, im Dezember 2021, soll es demnach möglich sein, per Nachtzug von Zürich über Köln nach Amsterdam zu fahren sowie von Wien über München nach Paris. Wiederum ein Jahr später soll von Zürich aus ein Nachtzug bis nach Rom fahren. Für Dezember 2023 sieht der Plan dann die Wiedereinrichtung einer besonders symbolträchtigen Verbindung vor: von Wien über Berlin bis nach Paris. Und im Jahr darauf soll auch Barcelona von Deutschland aus über Nacht erreichbar sein.
«Das ist das Erfolgsmodell, das wir als DB gemeinsam mit unseren europäischen Partnern weiter vorantreiben wollen», sagte Bahnchef Richard Lutz dabei am Dienstag. «Es ist klar, dass Deutschland schon allein aufgrund seiner Größe und zentralen Lage eine wichtige Rolle im europäischen Nachtzugnetz spielt.»
Ein gemeinsames Vorgehen mehrerer Eisenbahn-Unternehmen in dieser Frage wird schon länger diskutiert. ÖBB-Chef Andreas Matthä brachte bereits Anfang dieses Jahres ein Gemeinschaftsunternehmen ins Spiel, um den Nachtzugverkehr in Europa wieder auszubauen. Im September stellte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dann das Konzept eines neuen grenzüberschreitenden «Trans-Europ-Express» vor, der einst westeuropäische Metropolen miteinander verband, bis er 1987 eingestellt wurde.
Das nun abgestimmte Nachtzug-Konzept ist Bestandteil dieses Plans. Die am Dienstag unterzeichnete Absichtserklärung sieht allgemein vor, den Fernverkehr zwischen den vier Ländern zu stärken. Mit mehr und besseren trans-europäischen Verbindungen wollen Politik und Unternehmen wieder mehr Verkehr aus der Luft auf die Schiene verlagern.
ÖBB-Chef Matthä sprach am Dienstag davon, die jährlich rund 1,4 Millionen Fahrgäste, die der sogenannte Nightjet vor der Corona-Krise hatte, mit der Ausweitung auf rund 3 Millionen zu verdoppeln. Die österreichische Umweltministerin, Leonore Gewessler, kündigte politische Unterstützung an. Angesichts der geringen Nachfrage lässt sich das Nachtzug-Angebot bislang nicht wirtschaftlich betreiben.
Mit Blick auf die Klimakrise stößt das Projekt bei vielen Politikern auf Zuspruch: «Endlich korrigiert die Bahn ihren Fehler, die Nachtzüge aufzugeben», teilte am Dienstag etwa der Linke-Bundestagsabgeordnete Victor Perli mit. «Und das Verkehrsministerium hat wohl verstanden, dass es durch Wettbewerb nicht zu solchen Zugverbindungen kommt und die Politik steuern muss.»
Auch Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender beim Fahrgastverband Pro Bahn, ist zufrieden. «Das ist eine sehr, sehr gute Nachricht, nicht nur für die Fahrgäste, sondern auch für das Klima», sagte er am Dienstag.
Kritik kam von den Wettbewerbern der Staatsbahnen, die in Deutschland unter anderem im Verein Mofair organisiert sind. Mit den am Dienstag gefassten Beschlüssen sei ein «subventioniertes, grenzüberschreitendes Nachtzugkartell» angekündigt worden, teilte der Verein am Dienstag mit. «Ein europäisches Fern- und natürlich auch Nachtzugnetz kann sehr sinnvoll sein», hieß es von Mofair-Präsident Christian Schreyer. «Dieses dürfen aber die Staatsbahnen nichts als „closed shop“ unter sich ausmachen.»
Die Frage bleibt zudem, ob es überhaupt genügend speziell ausgerüstete Nachtzug-Waggons gibt, um das geplante Angebot bereitstellen zu können. «Sehr viel mehr als das, was man jetzt vor hat, kann man mit der bestehenden Flotte nicht machen», sagte Naumann. Die ÖBB hatte zuletzt rund 13 zusätzliche, moderne Schlafwagen-Züge bei Siemens bestellt. Doch eine solche Bestellung dauert. Die ersten Wagen sollen erst im Jahr 2022 bereitstehen.
Zumindest zwischen der Schweiz und Italien wird es zunächst allerdings gar keinen Zugverkehr mehr geben. Ab dem 10. Dezember verkehrten auf unbestimmte Zeit keine Züge der Schweizer Bahnen SBB und von Trenitalia mehr über die Grenze, teilten die SBB am Dienstag mit. Italien verlange Kontrollen, die die Schweiz nicht gewährleisten könne, sagte eine SBB-Sprecherin auf Anfrage, darunter etwa das Temperaturmessen und die Vorlage eines negativen Corona-Tests.