Im Vertrauen auf die Sicherheit überwiesen Anleger immer mehr Geld für den Goldkauf. Im September 2019 kommt für viele die Ernüchterung. Der Goldhändler PIM im hessischen Heusenstamm wird durchsucht und meldet kurz darauf Insolvenz.
Seit Dienstag müssen sich der 49 Jahre alte Geschäftsführer von PIM und der 52 Jahre alte Chef der früheren Vertriebsfirma des Goldhändlers wegen schweren Betruges vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Die Vorwürfe der Anklage nehmen sie ohne großen Emotionen hin. Äußern wollten sich beide dazu am ersten Verhandlungstag auch nicht.
Laut Anklage soll das Unternehmen von 2016 bis September 2019 mit Kunden Lieferverträge einschließlich Bonusversprechen über Hunderte Kilogramm Gold abgeschlossen, diese aber nicht erfüllt haben. Zinsen sollen nach einer Art Schneeballsystem über neu angeworbene Kundengelder ausgezahlt worden sein.
In dem Verfahren geht es auch um Verträge für den Kauf von rund drei Tonnen Gold, das den Vorwürfen zufolge in diesem Umfang wohl nie in irgendwelchen Tresoren gelagert war. Die Verluste einzelner Anleger schilderten die Anklagevertreter über Stunden zum Prozessauftakt in rund 130 Einzelfällen.
Mittel aus Haus- oder Unternehmensverkäufen, aufgelöste Bausparverträge oder Lebensversicherungen, ganze Erbschaften – futsch. Rentner, Unternehmer, mit besonderen Verträgen auch Kinder sollen so Investitionen verloren haben. Bei einem Unternehmer und seinen beiden Kindern habe sich die immer weiter aufgestockte Anlage schließlich auf mehr als 2,2 Millionen Euro beziffert.
Auch Mitarbeiter der Firma selbst sollen unter den Opfern sein. Eine Frau und Anlegerin will die Angeklagten wegen Gerede über mangelnde Goldmengen angesprochen haben. Als Antwort bekam sie nach Angaben von Staatsanwältin Lucia Wülfing: «Jeder könne für 30 Euro sein Gold besuchen, sehen und streicheln.» Die Mitarbeiterin habe ihr gesamtes Vermögen bei PIM investiert.
Viele hätten ihr Geld mit dem Versprechen auf die insolvenzsichere Goldeinlage investiert. Jetzt steht der Anklage zufolge einigen finanziell das Wasser bis zum Hals. Altersvorsorge verloren, Angst vor wirtschaftlicher Not, Rente verschieben sind der Anklage zufolge Schicksale. Über einen Geschädigten sagte Staatsanwalt Tobias Stewen: «Durch den ermittelten Vermögensverlust steht er nach eigenen Angaben vor dem Ruin.»
Laut Insolvenzverwalter gibt es weit mehr als 7000 angemeldete Forderungen mit einem Gesamtvolumen von knapp 180 Millionen Euro. Die Spanne der einzelnen Forderungen reiche von Beträgen von 20 Euro bis zu 1,9 Millionen Euro. Im Bestand seien bislang rund 560 Kilogramm Gold und Schmuck sichergestellt worden.
Die Anwältin des jüngeren Angeklagten, Stefanie Schott, hält den ganzen Komplex für nicht zu Ende ermittelt. Erst Anfang November habe das Gericht erstmals einen Sachverständigen damit beauftragt zu klären, inwieweit ein und welcher Schaden vorliege. Dies sei aber eigentlich schon eine Voraussetzung für eine Anklageerhebung gewesen. Diese Aufklärung hätte schon im Ermittlungsverfahren erfolgen müssen. Ihr Mandant sitzt seit mehr als einem Jahr, seit Anfang September 2019, in Untersuchungshaft. Ihm wird in den Verfahren auch falsche Buchführung und Geldwäsche vorgeworfen. Der mitangeklagte 52-Jährige ist auf freiem Fuß.
Der Prozess wird am Donnerstag mit einer Zeugenvernehmung fortgesetzt.