In der Finanzkrise der Deutschen Bahn mehren sich die Stimmen für Kurskorrekturen bei dem Staatskonzern: Der Einbruch des Geschäfts und die Frage, wie sich die Bahn in den nächsten Jahren refinanzieren kann, wurden bei einer Sitzung des Aufsichtsrats diskutiert.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sieht dabei angesichts der erneuten Einbußen im Rahmen des zweiten Lockdowns vor allem den Bund in der Pflicht.
«Hier erwarten wir dringend eine entsprechende Kompensationen des Eigentümers für die Leistung, die die Kolleginnen und Kollegen erbringen», sagte der EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel im Anschluss an die Sitzung. Er verwies auf die für dieses Jahr vorgesehene Dividende in Höhe von 650 Millionen Euro an den Bund, die dieser für Investitionen in die Bahn-Infrastruktur nutzen soll. Aufgrund der hohen Verluste in diesem Jahr werde das nicht funktionieren, sagte Hommel. Der Bund müsse den Ausfall der Dividende ebenfalls kompensieren.
In Bahnkreisen war von einer unaufgeregten Sitzung die Rede. Dem Gremium sei die mittelfristige Finanzplanung bis 2025 vorgelegt worden: Unter der Dachstrategie «Starke Schiene» will die Bahn die Zahl der Fahrgäste bis 2030 deutlich erhöhen. Mit staatlicher Unterstützung investiert der Konzern deshalb Milliarden in die Modernisierung der Infrastruktur und mehr Personal. Aufgrund der Corona-Krise könnte sich die Umsetzung der Ziele allerdings um einige Jahre verzögern, heißt es inzwischen.
Die EVG will sich im Aufsichtsrat angesichts der Milliardenverluste in der Corona-Krise für eine Neujustierung der Konzernstrategie stark machen. Die Hochlaufpläne sollen mit konkreten Maßnahmen unterstützt werden. «Wir erwarten neue Geschäftsmodelle, die über das heutige Transportieren von Menschen von A nach B hinausgehen», sagte Hommel.
Die Grünen kritisierten, der Bund unterstütze in der Krise einseitig die Bahn AG und lasse die Konkurrenten etwa im Güterverkehr weitgehend leer ausgehen. Geplant ist eine Eigenkapitalspritze von fünf Milliarden Euro für dieses Jahr, die die EU-Kommission aber noch nicht genehmigt hat.
Die Corona-Pandemie lege die strukturellen Probleme der Bahn offen, sagte der Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel. «Mit einer soliden Finanzausstattung der Bahn hätte es gar nicht zu einem solchen Schuldenberg kommen dürfen», sagte er. Im Wettbewerb mit Straße und Luft sieht er die Bahn benachteiligt. Der Bund müsse der Bahn ermöglichen, das Schienennetz ohne Gewinndruck zu betreiben.
Der FDP-Verkehrspolitiker Torsten Herbst forderte eine Verschlankung des Konzerns mit zahlreichen Töchtern und Beteiligungen. «Diese Aktivitäten im Ausland müssen angesichts der enormen Herausforderungen der Corona-Pandemie endlich ein Ende haben.» Bei der Strategie aus Vor-Corona-Zeiten dürfe es kein einfaches «Weiter so» geben. «Der heutige DB-Konzern ist zu groß und schwerfällig, hat zu viele Hierarchieebenen und verzettelt sich mit unzähligen Beteiligungen.»
In diesem Jahr wird nach Angaben aus Konzernkreisen ein Umsatzeinbruch und ein Verlust von 5,6 Milliarden Euro erwartet. Vor allem der dramatische Fahrgastrückgang in der Corona-Krise belastet, aber auch die Probleme der Gütersparte sowie im Auslandsgeschäft. Der Vorstand rechnet für das laufende Geschäft auch im nächsten Jahr mit deutlichen Verlusten und einer Erholung ab 2022.