Trotz der Einigung auf einen Brexit-Handelspakt sehen Experten noch viele Fragen im Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU ungeklärt.
So fehlen etwa Vereinbarungen zu den gerade für die britische Wirtschaft wichtigen Dienstleistungen, wie die Wirtschaftskanzlei Luther in einer Analyse betont, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
«Das Fehlen solcher Regelungen kann aber schon jetzt zu Einschränkungen für Kooperationen zum Beispiel im Bereich klinischer Studien führen.» Pharmazeutische Industrie, aber auch Medizintechnikunternehmen würden mit neuen Anforderungen und erheblichem bürokratischen Aufwand konfrontiert.
Daneben bleiben demnach Fragen beim Datenschutz, bei der grenzüberschreitenden und internationalen Exportkontrolle sowie beim Gesellschaftsrecht offen. Das Abkommen beinhalte zudem keine Vereinbarungen zur Zusammenarbeit in insolvenzrechtlichen Angelegenheiten, betonen die Rechtsexperten. Entscheidende Änderungen gebe es auch beim Kartellrecht sowie beim Investitionsschutz. Hier sei statt der üblichen direkten Klagerechte für Investoren «ausschließlich ein Staat-zu-Staat-Schiedsmechanismus vorgesehen».
In ihrer Analyse hebt die Wirtschaftskanzlei das Ausmaß der Schwierigkeiten hervor: Aufgrund der Kürze der Zeit seit der Veröffentlichung, hoher Komplexität und Detailfragen sei es für Unternehmen kaum möglich gewesen, sich auf die Umsetzung der neuen Bestimmungen vorzubereiten. «Gerade kleine und mittlere Unternehmen laufen jetzt Gefahr, ungewollt Regelverstöße zu begehen», sagte der Leiter des Londoner Luther-Büros, York-Alexander von Massenbach.
Der Brexit-Handelspakt gehe in manchen Punkten über andere Freihandelsabkommen der EU hinaus, weil er keine Mengenbegrenzungen enthalte und grundsätzlich alle Arten von Waren umfasse. «Aber auch hier müssen Unternehmen durch das Verlassen der Zollunion und des gemeinsamen Binnenmarktes künftig viele Formalitäten und Regularien beachten.» Durch das Fehlen einer allgemeinen Anerkennung von Produktvorschriften werde es zu Warenkontrollen an den Grenzen kommen. Seit dem Brexit kommt es zu Verzögerungen im Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien. Grund sind vor allem Zollhürden.
Die EU und Großbritannien hatten lange erbittert über den Deal verhandelt. Die letzten politisch hoch umstrittenen Streitpunkte – Fischerei, fairer Wettbewerb und die Frage nach der Durchsetzbarkeit der Vereinbarungen – waren erst an Heiligabend geklärt worden. Unter dem Strich habe sich die EU durchgesetzt, ist die Wirtschaftskanzlei überzeugt: «Mit Blick auf das Verhandlungsergebnis wird deutlich, dass das Vereinigte Königreich in seinem Streben nach Souveränität Einschnitte für die eigene Wirtschaft hingenommen hat.»