Wegen Behördenpannen beim Start der Mietpreisbremse zahlen viele Betroffene dauerhaft zu viel Miete – und auf diesen Mehrkosten bleiben sie auch sitzen.
Schadenersatzansprüche gegen das verantwortliche Land bestehen grundsätzlich nicht, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag in einem Pilotverfahren aus Hessen. Damit ist der Versuch eines Rechtsdienstleisters, den Staat für die Nachteile haftbar zu machen, in letzter Instanz gescheitert. (Az. III ZR 25/20)
Die Landesregierungen können seit Juni 2015 «Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten» ausweisen. Dort gilt im Grundsatz, dass Vermieter beim Einzug neuer Mieter höchstens zehn Prozent auf die örtliche Vergleichsmiete aufschlagen dürfen. Es gibt aber Ausnahmen, zum Beispiel für neu gebaute oder modernisierte Wohnungen.
In Hessen und etlichen anderen Ländern haperte es bei der Umsetzung. Laut Bundesgesetz muss jede Mietpreisbremsen-Verordnung zwingend begründet werden. Aber damit nahm man es vielerorts nicht so genau. Inzwischen haben deshalb Gerichte in Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Brandenburg und Niedersachsen die ursprünglichen Verordnungen für unwirksam erklärt. Sie mussten neu erlassen werden.
Die hessische Verordnung von 2015 war daran gescheitert, dass zunächst nur ein Entwurf und nicht die offizielle Begründung veröffentlicht wurde. Ausbaden müssen es die Mieter, die gegen ihren Vermieter nun nichts mehr in der Hand haben. In dem Fall vor dem BGH hatten sich zwei Frankfurter Mieter beim Einzug Anfang 2017 auf eine Kaltmiete von 11,50 Euro pro Quadratmeter eingelassen. Ortsüblich waren damals 7,45 Euro pro Quadratmeter. Eigentlich eine klare Sache – aber wegen der verpatzten Mietpreisbremse hatten sie vor Gericht keine Chance. Der Vermieter musste die Miete nicht anpassen.
Der Rechtsdienstleister Conny GmbH (früher Wenigermiete.de), der mit Hilfe eines Internet-Rechners Forderungen gegen Vermieter prüft und eintreibt, wollte dafür den Staat haftbar machen und hatte auf Milliardenbeträge spekuliert. Der Vorwurf: Millionen von Bürgern zahlten wegen Behörden-Schlamperei eine überhöhte Miete. Die Klage zielte darauf ab, dass die Länder den Betroffenen die zu viel bezahlte Miete erstatten müssen – vom Einzug bis zum Auszug.
Dafür sehen die obersten Zivilrichter in Karlsruhe aber keine Grundlage. Denn nach der langjährigen Rechtsprechung des BGH ergeben sich aus Gesetzen und Verordnungen grundsätzliche keine Amtshaftungspflichten, weil sie sich an die Allgemeinheit richten. Ausnahmen gibt es nur, wenn bestimmte Einzelpersonen unmittelbar betroffen sind. Das sehen die Richter hier nicht: Die Verordnung habe sich immerhin auf 16 Gemeinden in Hessen bezogen, darunter die fünf mit den meisten Einwohnern, sagte der Vorsitzende Ulrich Herrmann.
Die Richter lehnten auch Schadenersatz wegen eines Eingriffs in Grundrechte ab. Gerade die Handlungsfreiheit sei eigentlich bei so gut wie jedem Gesetz berührt, sagte Herrmann. Eine so erhebliche Ausweitung der Staatshaftung könne nicht von Richtern vorgenommen werden. Das müsse der Gesetzgeber tun, wenn er Bedarf sehe.
Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer der Conny GmbH, will nun die Aussichten einer Verfassungsbeschwerde prüfen. «Es ist keine Überraschung, dass sich der BGH hier nicht so weit aus dem Fenster gelehnt hat», sagte er und sprach von einem Dammbruch. Schließlich hätte sich die Frage nach der Haftung nicht nur in Hessen, sondern auch in anderen Bundesländern gestellt. Und gerade in der Corona-Pandemie seien in anderem Zusammenhang immer wieder Verordnungen von Gerichten gekippt worden.
Der Deutsche Mieterbund kritisierte das «vorhersehbare Urteil» als «unfaire Entscheidung für alle Mieterinnen und Mieter, die sich auf die gewissenhafte Arbeit der staatlichen Organe verlassen haben». «Wenn der Staat eine Verordnung offiziell erlässt und im Amtsblatt verkündet, muss der Bürger darauf vertrauen dürfen, dass diese auch gültig ist», erklärte Präsident Lukas Siebenkotten.