Angesichts der weiter angespannten Corona-Lage und Sorgen vor einer Verbreitung neuer Virusvarianten hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an die Unternehmen appelliert, schnell so viel Homeoffice wie möglich anzubieten.
«Wir brauchen, wo immer es geht, die Möglichkeit für Beschäftigte von zu Hause aus zu arbeiten, wo das sinnvoll und möglich ist, und zwar sofort», sagte der SPD-Politiker nach Gesprächen mit Personalvorständen mehrerer großer börsennotierter Unternehmen.
Arbeitgeber und Industrievertreter wehren sich gegen strengere Vorgaben für Betriebe, etwa eine Homeoffice-Pflicht. Rückendeckung bekamen sie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Heil sprach von einem dringenden Aufruf an Unternehmen und Personalverantwortliche. Er sei froh, dass viele Betriebe das bereits vorbildlich umsetzten. Der Aufruf gehe an diejenigen, die das bisher nicht täten. Auch das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rief Unternehmen und Verwaltung zu einem größeren Einsatz von Homeoffice auf.
«Wir müssen uns jetzt die Frage stellen, wo mit möglichst geringem wirtschaftlichem Schaden die Infektionszahlen noch reduziert werden können», sagte IMK-Chef Sebastian Dullien dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Im April 2020 hätten 27 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet, im November seien es aber nur noch 14 Prozent gewesen. Derzeit liege die Zahl womöglich wieder etwas höher. «Aber offensichtlich hat auch die hohe Homeoffice-Rate im April die Zahl der Neuinfektionen deutlich verringert, und die Unternehmen konnten zugleich mit relativ geringen Kosten weiterarbeiten. Diese Personen könnten also jetzt wieder im Homeoffice arbeiten.»
Strengere Vorgaben für Unternehmen wiesen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Arbeitgeberverband BDA zurück. Der neue BDI-Präsident Siegfried Russwurm machte deutlich, der Einsatz von Homeoffice müsse von den Betriebsparteien vor Ort entschieden werden. Die Industrie appelliere an alle Unternehmen, das Thema Homeoffice soweit wie möglich zu nutzen, sagte Russwurm. «Und ganz viele tun das auch.» Was gehe und was nicht gehe, wisse aber niemand besser als die Betriebsparteien vor Ort. Das «Schweißen aus dem Homeoffice» habe noch niemand erfunden.
In der Debatte war zuletzt der Druck auf die Wirtschaft gestiegen. Auch CSU-Chef Markus Söder hatte Gespräche mit Unternehmen angekündigt, um mehr Möglichkeiten für Beschäftigte zu erreichen, von zu Hause zu arbeiten. Söder hatte konkrete Zielvorgaben ins Spiel gebracht. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckart kündigte am Dienstag einen Antrag ihrer Fraktion im Bundestag in dieser Woche an: «Es muss klar sein: Überall müssen die Menschen sicher arbeiten können. Wann immer sie es von zu Hause aus können (und wollen), müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet werden, das auch zu erlauben.»
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter nannte im ZDF-«Morgenmagazin» eine mögliche Verpflichtung zum Homeoffice «unnötig» und «unnütz». Dies würde die Infektionszahlen nicht verringern. Kampeter verwies auch auf den Bundestag, der sich in dieser Woche in Präsenz treffe. Es gebe offensichtlich Orte in Präsenz, die sicher sind, wo man zusammenarbeiten könne.
Altmaier sagte «Zeit Online»: «Wir sollten die Unternehmen, von denen viele gerade um ihr Überleben kämpfen, nicht zusätzlich mit Zwang und Regulierung bevormunden». Sicher sei Homeoffice in einigen Bereichen noch ausbaufähig. «Nach allem, was wir wissen, sind Betriebe aber keine Herde des Infektionsgeschehens, mit Ausnahme der Vorkommnisse in der Fleischindustrie.»
Heil betonte: «Wir müssen mit aller Macht verhindern, dass Arbeitsplätze zum Infektionsort werden.» Keiner könne wollen, dass man die gesamte Wirtschaft in den Lockdown schicken müsse. «Die Bänder laufen, und das soll möglichst auch so bleiben.» Wo keine Arbeit zu Hause möglich sei, etwa in Bereichen des produzierenden Gewerbes oder im Einzelhandel, müssten die Arbeitsschutzstandards konsequent eingehalten werden.