Ob Handyverträge, Streaming oder Fitnessstudios, die Bundesregierung will Verbraucher vor Abzocke mit langen Vertragslaufzeiten und schwierigen Kündigungen schützen. Anbieterwechsel sollen einfacher und Verträge fairer werden.
Doch schon bevor das Gesetz verabschiedet will, wünscht sich die zuständige Ministerin noch schärfere Regeln. «Gerade die Corona-Krise zeigt, dass lange Vertragslaufzeiten zum Problem werden, wenn Einkünfte wegbrechen», sagte Justizministerin Christine Lambrecht am Freitag zur ersten Lesung des Entwurfs im Bundestag. Auch die Bundesländer haben bereits Änderungsbedarf angemeldet.
Lambrecht hatte die Reform angeschoben, weil sie der Meinung ist, dass Verbraucher viel zu häufig über den Tisch gezogen werden. Lange Vertragslaufzeiten bei Handyverträgen verhinderten zum Beispiel oft den Wechsel zu günstigeren Angeboten, sagte sie. Das will die Bundesregierung erschweren – zum Leidwesen von Handyanbietern, Streamingdiensten, aber auch kommunalen Energieversorgern, die der Meinung sind, dass sich der Bund zu stark in den Markt einmischt. Lange gab es deswegen Streit zwischen Verbraucherschutz- und Wirtschaftsministerium. Dies schlägt die Bundesregierung nun als Kompromiss vor:
VERTRAGSLAUFZEITEN: Verträge zum Beispiel fürs Fitnessstudio, Netflix oder ein Musik-Abo sollen in der Regel nur noch über ein Jahr laufen. Bisher sind in vielen Branchen zwei Jahre üblich, so dass Verbraucher kaum kurzfristig auf billigere Angebote reagieren können. So lange Laufzeiten sollen künftig nur noch erlaubt sein, wenn der Kunde parallel auch ein Angebot für einen Ein-Jahres-Vertrag mit gleicher Leistung bekommt. Dieser darf im Monatsdurchschnitt maximal ein Viertel mehr kosten. Hier könnte der Bundestag noch nachschärfen, wie Lambrecht andeutete. Die Pflicht, auch Verträge mit einem Jahr Laufzeit anzubieten, gibt es jetzt schon etwa bei Handy- und Festnetzverträgen.
VERTRAGSVERLÄNGERUNG: Die Kündigung vergessen – und schon hat man den Vertrag ein weiteres Jahr an der Backe. Das soll künftig nicht mehr so einfach passieren. Wenn ein Unternehmen Verträge um mehr als drei Monate automatisch verlängern will, muss es den Kunden von sich aus auf die Kündigungsmöglichkeit hinweisen. Dafür reicht zum Beispiel eine SMS mit dem Hinweis: «Wenn Sie jetzt nicht kündigen, verlängert sich Ihr Vertrag um ein Jahr.»
KÜNDIGUNGSFRIST: Die Kündigungsfrist für Verbraucherverträge soll generell nur noch einen Monat betragen – statt bisher drei Monate.
STROM- UND GASVERTRÄGE: Lieferverträge für Strom und Gas soll man nicht mehr allein am Telefon schließen können. Damit ein Vertrag wirksam ist, muss er «in Textform», also zum Beispiel per Email, vorliegen. «Dadurch bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher Gelegenheit, in aller Ruhe zu prüfen, ob sie ihren Energielieferanten oder ihren Vertrag wirklich wechseln möchten», hatte Lambrecht das begründet. «Sie können zudem sicher sein, dass ihnen kein Vertrag gegen ihren Willen unterschoben wird.»
KRITIK IM BUNDESRAT: Die Länderkammer hat den Gesetzentwurf bereits beraten und einige Verbesserungen gefordert. Sie verlangt etwa einen Kündigungsbutton auf Internetseiten, damit Verbraucher ihre Verträge ohne großes Suchen und Briefeschreiben wieder loswerden können. Ähnlich äußerte sich im Bundestag auch die Union. Außerdem will der Bundesrat, dass die geplanten Reformen nicht nur für neue, sondern mit einer Übergangszeit auch für bereits abgeschlossene Verträge gelten. Die Länder müssen der Reform nicht zustimmen, der Bundesrat könnte aber Einspruch gegen das Gesetz einlegen.
WARNUNG VOR KOSTENSCHUB: Der IT-Verband Bitkom warnte, ohne lange Laufzeiten könnten etwa hochwertige Handys nicht mehr in Kombination mit Mobilfunkverträgen über Monatsraten abbezahlt werden. Auch Einmalkosten wie Anschlussgebühren könnten schlechter über einen längeren Zeitpunkt gestreckt werden, sagte der Verband dem «Handelsblatt». «Kürzere Laufzeiten würden zwangsläufig zu teureren Monatsraten führen.» Auch die FDP wandte sich gegen die Begrenzung der Vertragslaufzeiten. «Häufig sind es langfristige Verträge, die finanziell schwächeren Verbrauchern ermöglichen, ohne Kredit und ohne Dispo an höherwertige Technik zu kommen», sagte die Abgeordnete Katharina Willkomm.