• Di. Dez 3rd, 2024

«Stimmung katastrophal»: Wirtschaft fordert Öffnungen

«Stimmung katastrophal»: Wirtschaft fordert Öffnungen
Die Geschäfte sind weiter geschlossen und die Stimmung in der Wirtschaft ist «katastrophal». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa)

Wirtschaftsverbände und Unternehmen fordern angesichts des wochenlangen Lockdowns vehement einen Fahrplan zur Öffnung und warnen vor einer Pleitewelle. Die Stimmung etwa in der Gastronomie und im Handel wird zunehmend schlechter.

«Wir brauchen dringend klare Kriterien, wann und unter welchen Voraussetzungen unsere Betriebe wieder geöffnet werden», sagte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges.

Der Lockdown mit der Schließung der Gastronomie und vielen Geschäften ist bisher bis Mitte Februar angesetzt. Mehrere Länder haben Stufenpläne vorgelegt oder arbeiten daran. Am Mittwoch beraten Bund und Länder erneut über eine mögliche Verlängerung des Lockdowns.

Bund und Länder müssten eine klare Öffnungsperspektive schaffen, forderte der Handelsverband Deutschland. Ein Stufenplan für den Weg aus dem Lockdown müsse für den Einzelhandel auch bei Inzidenzwerten von mehr als 50 Lockerungsmaßnahmen vorsehen, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. «Denkbar wären Öffnungen unter noch strengeren Vorgaben für die maximale Kundenzahl oder verschärfte Hygieneregeln.»

Um überfüllte Innenstädte nach dem Lockdown-Ende zu vermeiden, hat der Elektronikhändler Ceconomy (Media Markt, Saturn) gestaffelte Öffnungszeiten für verschiedene Altersgruppen ins Spiel gebracht. Chef Bernhard Düttmann schlug vor, eine spezielle Zeit für ältere Risikopatienten festzulegen, um Besucherströme zu begrenzen.

«Stimmung und Lage im Gastgewerbe sind katastrophal», sagte Hartges. Bei den Betrieben machten sich Verzweiflung und Zukunftsängste breit – 75 Prozent bangten um ihre Existenz. Auch der Handelsverband berichtete von der Verzweiflung vieler Einzelhändler im Lockdown. «Nach wie vor kommt das Geld aus den staatlichen Hilfsprogrammen nicht ausreichend an», sagte Genth.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat vor den Beratungen am Mittwoch ein branchenunabhängiges Mindestkurzarbeitergeld gefordert. «Selbst 80 Prozent des Nettolohns ab dem siebten Monat Kurzarbeit sind bei jemandem, der nur knapp über dem Mindestlohn verdient, zu wenig, um Rechnungen oder die Miete zu bezahlen», teilte NGG-Vorsitzender Guido Zeitler am Dienstag mit.

Alarm schlagen auch Friseure. «Für die Inhaber der 80.000 Salons ist die wirtschaftliche Situation zum Teil dramatisch», sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, Jörg Müller. «Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Pandemiebekämpfung ist die Schwarzarbeit in unserem Handwerk zwischenzeitlich zu einem wohl echten Problem geworden», sagte Müller. Der Verband betone deshalb mit Nachdruck, dass Friseurdienstleistungen nur in professionellen Salons sicher sein können. Die 240.000 Friseure hofften auf den Re-Start am 15. Februar.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer forderte ein bundesweites Ampel-System für Corona-Entscheidungen nach regionaler Inzidenz – «damit Betriebe planen können und eine Perspektive erhalten», sagte er. Ein Öffnungsplan müsse klare Voraussetzungen festlegen, mit denen Betriebe wieder arbeiten können. Außerdem müssten Hilfen deutlich schneller ausgezahlt werden. Bei einem großen Teil der Betriebe sei bisher nicht ein einziger Euro des versprochenen Geldes angekommen.

In einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, an der laut Verband 1600 Firmen teilgenommen haben, sagten 71 Prozent der befragten Unternehmen, die Beantragung und Auszahlung der staatlichen Wirtschaftshilfen sei bürokratisch und kompliziert. Nur ein Drittel ist zufrieden mit der Corona-Politik der Bundesregierung. 47 Prozent sagten: schlecht oder sehr schlecht.

Der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, Wolfgang Ewer, sagte, es müsse nach vielen Monaten des Lockdowns eine Öffnungsstrategie geben, die neben den gesundheitlichen stärker auch wirtschaftliche Perspektiven berücksichtige.

Unterdessen blickt Industriepräsident Siegfried Russwurm mit Sorge auf die Entwicklung der Corona-Lage in Europa. Das europaweite Infektionsgeschehen beunruhige die Industrie zunehmend. «Deutschland ist keine Insel, sondern liegt mitten in Europa. Unsere Industrie ist wie kaum eine andere eng mit grenzüberschreitenden Lieferketten und Mitarbeiterstrukturen verflochten», sagte Russwurm. Wenn es nicht gelinge, die Pandemieeindämmung europaweit erfolgreich voranzutreiben, sei jeder nationale Erfolg ein Strohfeuer.