Volkswagen hat die IG Metall aufgerufen, die stockenden Verhandlungen über den neuen Haustarif für die gut 120.000 Beschäftigten in den westdeutschen Werken wieder aufzunehmen.
Die Gewerkschaft machte jedoch deutlich, dass sie dazu weiter erst ein konkretes Angebot der Arbeitgeberseite erwartet. «Unsere Bereitschaft, die Gespräche wieder aufzunehmen, bekräftigen wir erneut», erklärte VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel. Jüngst waren IG-Metall- und Unternehmensvertreter auch nach drei Runden ohne entscheidende Annäherung auseinander gegangen. Inzwischen kam es nun nicht nur im parallel laufenden Tarifstreit der gesamten Metall- und Elektroindustrie, sondern auch bei Volkswagen zu Warnstreik-Aktionen.
Meiswinkel, der im größten Autokonzern Europas für die Grundsätze der Personalpolitik zuständig ist, betonte, es müsse weiter zusammen eine Basis für das finanziell Mögliche diskutiert werden. «Volkswagen hat in der letzten Verhandlung deutlich gemacht, dass wir an einem tragfähigen und zukunftsfesten Abschluss interessiert sind», sagte der Manager in Wolfsburg. «Voraussetzung dafür ist ein gemeinsames Grundverständnis der wirtschaftlichen Ausgangslage.»
Die IG Metall zeigt sich prinzipiell offen für weitere Gespräche, besteht allerdings auf substanziellen Vorschlägen der Gegenseite. «Wenn Volkswagen uns jetzt ein solides Angebot unterbreiten möchte, ist eine Rückkehr an den Verhandlungstisch aus unserer Sicht sinnvoll und zu jedem Zeitpunkt möglich», so Thorsten Gröger, Bezirksleiter der Gewerkschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. «Bisher ist aber niemand von der Arbeitgeberseite an uns herangetreten.»
Betriebsratschef Bernd Osterloh vermutete bereits eine Hinhaltetaktik des Managements, solange nicht genauer auf die Vorstellungen eingegangen werde. «Wir können über ein Angebot diskutieren. Das muss das Unternehmen jetzt endlich mal machen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Da ist ja sogar die Fläche schon weiter. Ohne Angebot drehen wir uns im Kreis. Das hatten wir drei Runden lang so.»
Aus Sicht der VW-Führung erfordert die aktuelle Mischung aus Corona-Folgen, Branchenumbruch und Lieferengpässen bei Elektronik große Vorsicht. «Höchste Kostendisziplin» sei daher gefragt. «In den nächsten Jahren kommt es darauf an, uns im Bereich Software und Digitalisierung eine Spitzenposition zu erarbeiten», hatte Meiswinkel kürzlich unterstrichen. Das sichere dann auch Jobs und Standorte.
Die IG Metall interpretiert die Lage anders – jedenfalls in kurzfristiger Perspektive. Sie ist der Auffassung, dass gerade jetzt mehr Kaufkraft aus den Belegschaften die Konjunktur anregen könnte. Bei VW fordert sie neben vier Prozent mehr Geld zudem eine erweiterte Umwandlung in freie Tage sowie Zusagen für Lehrstellen. Gröger hatte zum Ende der letzten Runde fehlendes Entgegenkommen bemängelt – viele Kolleginnen und Kollegen seien «mittlerweile ziemlich verärgert».
Am Dienstag war es zu ersten befristeten Ausständen etwa in den Werken Salzgitter, Braunschweig und Emden gekommen. In Wolfsburg, Hannover und Kassel waren IG-Metall-Mitglieder ebenfalls aufgerufen, einen Teil ihrer Arbeitszeit auszusetzen. Ähnliche Aktionen liefen wegen der schwierigen Flächen-Verhandlungen bei zahlreichen anderen Firmen wie der VW-Tochter MAN, Autozulieferern wie Bosch, Clarios und ZF, dem Bahntechnik-Konzern Alstom oder kleineren Maschinenbauern.
Das Corona-Jahr 2020 schloss die VW-Gruppe mit einem satten Gewinn ab: Nach Steuern blieben dem Gesamtkonzern rund 8,8 Milliarden Euro. Noch gibt es keinen Fortsetzungstermin für die Tarifverhandlungen.