Deutsche Sicherheitsbehörden kooperieren nach Ansicht von Sonderermittler Wolfgang Wieland bei der Aufklärung des Wirecard-Skandals nicht ausreichend mit dem Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Eigentlich solle er sich als «Scout» durch Akten und Dateien wühlen – «an solcher Materialfülle fehlte es hier», schreibt der vom Ausschuss eingesetzte Ermittlungsbeauftragte in seinem zehnseitigen Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den am Mittwoch auch «Spiegel» und SWR berichteten. Viele Antworten seien geschwärzt oder wegen strafrechtlicher Ermittlungen gesperrt worden. Wichtige Fragen seien daher ungeklärt geblieben.
Trotzdem kommt Wieland etwa zu dem Ergebnis, dass das Bundeskriminalamt bei mehreren Projekten mit Wirecard zusammenarbeitete. Es seien Kreditkarten der Wirecard-Bank genutzt worden, um Verdächtige zu überwachen. Dabei habe das BKA, so schreibt Wieland, «sicher ahnungslos – den Bock zum Gärtner gemacht». Wirecard habe in der Kooperation zwar korrekt agiert und es gebe keinen Hinweis auf Missbrauch der Daten. Das BKA müsse sich aber die Frage gefallen lassen, ob es nicht «als Instanz zur Bekämpfung von Geldwäsche und Organisierter Kriminalität ihre Partner kritischer hätte unter die Lupe nehmen müssen».
Offen bleibt die Frage, ob Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der auf der Flucht ist, in die Arbeit von Geheimdiensten verwickelt war. Die Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe bisher keine Belege, dass Marsalek an russische Nachrichtendienste angebunden gewesen sei. «Sie sucht weiter», schreibt Wieland.
Der ehemalige Berliner Justizsenator und Grünenpolitiker will seinen Bericht am Donnerstag im Untersuchungsausschuss vortragen. Direkt danach sollen zwei ehemalige Geheimdienstkoordinatoren der Bundesregierung aussagen. Unter anderem geht es dabei um Lobbyismus für Wirecard und ein Treffen mit Marsalek.
Unionspolitiker forderten unterdessen Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) auf, in dem Fall mehr Verantwortung zu übernehmen. Sein Finanzministerium habe bei der Kontrolle der Finanzaufsicht Bafin schwerwiegende Fehler gemacht, sagte der stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Hans Michelbach (CSU). «Zweifelsfrei ist, dass Bafin, Bundesfinanzministerium und Wirtschaftsprüfer EY Schützenhilfe geleistet haben.» Alle Warnsignale seien über viele Jahre konsequent ignoriert und der Betrug so erst ermöglicht worden. «Man hat es Wirecard einfach zu einfach gemacht.»
Der Unions-Obmann im Ausschuss, Matthias Hauer, betonte, das Finanzministerium habe die Aufsicht über die Bafin. Es gebe aber erhebliche Zweifel, ob diese Aufsicht überhaupt ausgeübt worden sei. Weisungen des Ministeriums an die Bafin habe es nicht gegeben. «Und deshalb trägt aus meiner Sicht Herr Scholz da eine große Verantwortung.» Gleiches gelte für seinen Staatssekretär Jörg Kukies. Beide sollen in der kommenden Woche im Untersuchungsausschuss befragt werden. Dabei werde sich auch «das Maß des persönlichen Verschuldens» zeigen, betonten die Unionspolitiker.
Auch die Opposition sieht offene Fragen zur Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten. Scholz habe bis heute nicht erklärt, «wie sein Ministerium und die Finanzaufsicht derart scheitern konnten, obwohl etliche Hinweise vorlagen», kritisierte der Finanzpolitiker der Grünen, Danyal Bayaz. Doch auch die Union müsse mehr Fehlerbewusstsein etwa zum Agieren des Kanzleramts und der Rolle gut bezahlter Wirecard-Lobbyisten mit CDU- oder CSU-Parteibuch zeigen.
Der SPD-Obmann im Ausschuss, Jens Zimmermann, warf der Union vor, keine echten Lehren aus dem Ausschuss ziehen zu wollen. Strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer, die im Fall Wirecard eine zentrale Rolle spielten, wolle das CDU-geführte Wirtschaftsministerium verhindern. Mit ihrem Stempel unter den Bilanzen hatten die Wirtschaftsprüfer von EY jahrelang das Vertrauen in Wirecard gestärkt, obwohl es bereits Vorwürfe gegen den damals aufstrebenden Dax-Konzern gab. Im vergangenen Sommer hatte Wirecard dann ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt.