Ob zum Spargelstechen, zur Erdbeerernte oder zur Weinlese – Saisonarbeitskräfte bleiben eine wichtige Stütze der deutschen Landwirtschaft.
Fast jeder dritte Beschäftigte in Agrarbetrieben war nach Zahlen des Statistischen Bundesamts vor Ausbruch der Corona-Pandemie für das saisonale Geschäft angestellt. In der laufenden Saison setzen die Bauern erneut stark auf Erntehelfer und -helferinnen, die oft aus osteuropäischen Ländern kommen. Dauerthemen dabei sind die Debatte um Arbeitsverhältnisse und – aktuell – der Corona-Infektionsschutz.
Etwa 272 000 Saisonarbeitskräfte zählte das Bundesamt im Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 auf deutschen Höfen. Damit hatten 29 Prozent der Beschäftigten in der hiesigen Landwirtschaft einen Arbeitsvertrag für sechs Monate oder weniger, wie die Wiesbadener Statistiker am Mittwoch auf Basis vorläufiger Zahlen der Landwirtschaftserhebung mitteilten. Im Vergleich zur vorherigen Erhebung 2016 (30 Prozent) blieb der Anteil nahezu unverändert.
Was das Wegbrechen dieser Saisonkräfte bedeuten kann, zeigte sich für die Landwirte im Corona-Jahr 2020: Wegen der zeitweiligen Einreisestopps fehlten einer Branchenumfrage des Netzwerks der Spargel- und Beerenverbände zufolge 28 Prozent der Erntehelfer. Die Spargelernte war daraufhin um zehn Prozent zurückgegangen.
«Die Ernte ist nun mal der Part der Landwirtschaft, in dem man die meisten Arbeitskräfte braucht», sagt der Vorsitzende des Netzwerks der Anbauverbände, Frank Saalfeld. Vor allem das Stechen von Spargel, der zuletzt rund ein Fünftel der deutschen Gemüseanbaufläche ausmachte, sei harte Arbeit. Von den vielen Freiwilligen im vergangenen Jahr, darunter Studenten oder Aushilfen aus anderen Branchen, sei nur ein Bruchteil bis zum Ende der Saison geblieben.
Für das laufende Erntejahr berichten die Bauern hingegen von keinerlei Engpässen. «In diesem Jahr waren die Grenzen nicht geschlossen, so dass die Saisonarbeiter auf normalem Weg einreisen konnten», sagt der Generalsekretär der Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken. Erstmals dürfen dieses Jahr auch bis zu 5000 Männer und Frauen aus Georgien auf deutschen Feldern eingesetzt werden.
Das dahinterstehende Abkommen der Bundesregierung mit dem Nicht-EU-Staat zeige, dass die Arbeitgeber weiter stark auf zusätzliche Arbeitskräfte angewiesen seien, heißt es von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Im vergangenen Jahr habe der Engpass in einigen Regionen dazu geführt, dass weniger Menschen mehr Arbeit erledigen mussten. Das Resultat seien Schichten von bis zu 14 Stunden gewesen.
Doch auch ohne solche Zusatzbelastungen brechen die Diskussionen um den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Pandemie nicht ab. Erst vor wenigen Tagen gab es auf einem Spargelhof im niedersächsischen Landkreis Diepholz einen Corona-Ausbruch mit mehr als 100 Infizierten, der Großteil davon Saisonkräfte.
Die Gewerkschaft wertet dies als Zeichen dafür, «dass die aktuellen Regelungen zum Gesundheitsschutz der Saisonarbeiter viel zu weich sind», wie der stellvertretende IG-BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum sagt. In den Unterkünften sei es weiterhin möglich, dass sich bis zu acht Beschäftigte ein Zimmer teilen. Teilweise würden große Reisebusse für den Transport eingesetzt.
In Diepholz gab es nach Angaben von Landkreissprecherin Mareike Rein Hinweise auf die Missachtung einiger Corona-Regeln wie die Pflicht zum Tragen einer Maske in den Bussen. Der betroffene Spargelbetrieb verwies hingegen auf zahlreiche Schutzmaßnahmen und eine 14-tägige Arbeitsquarantäne.
Doch was ist, wenn Erntehelfer krank werden? Kürzlich beschloss der Bundestag Änderungen am Sozialgesetzbuch, wonach Saisonarbeitskräfte dieses Jahr statt 70 bis zu 102 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden dürfen. Eine ähnliche Regelung hatte es bereits im vergangenen Jahr gegeben.
Dass es für diesen Zeitraum auch keine Pflicht einer gesetzlichen Krankenversicherung geben soll, ist aus Sicht von Gewerkschaftsvertreter Schaum «völlig unverständlich und inakzeptabel». Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Susanne Ferschl, fordert: «Mit diesen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen muss Schluss sein: Jede Stunde Arbeit muss sozial abgesichert sein.»
Bernhard Krüsken vom Bauernverband hält dagegen: «Der Vorwurf der Gewerkschaft blendet die Fakten aus. Wir haben kein Verständnis für solche billige Stimmungsmache.» Die Landwirtschaftsverbände verweisen auf freiwillige Erntehelferversicherungen. Rund 96 Prozent der Spargel- und Beerenbetriebe schlössen eine solche ab, berichtet Saalfeld. Weitere drei Prozent sorgten für einen anderweitigen Versicherungsschutz. Und ab vier Wochen Beschäftigung bestehe für die Betriebe auch die Pflicht zur Lohnfortzahlung bei Erkrankung.