Nach dem coronabedingten Einbruch im vergangenen Jahr wächst die Weltwirtschaft wieder kräftig. Erwartet wird im laufenden Jahr ein Plus von 5,8 Prozent, 0,2 Punkte mehr als im März angenommen, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Montag in Paris mitteilte.
Ein so starkes Wachstum habe es seit 1973 nicht mehr gegeben, resümierte Chefökonomin Laurence Boone. Für das kommende Jahr nimmt sie ein weltweites Plus von 4,4 Prozent an. Das sind 0,4 Punkte mehr als bisher. «Die Krise und die Erholung sind völlig außergewöhnlich», sagte sie. Im vergangenen Jahr war die Weltwirtschaft um 3,5 Prozent geschrumpft.
Die Corona-Krise sei aber noch nicht überwunden, warnte Boone. Die Pandemie bringe Unsicherheiten mit sich. Die Europäer müssten schneller und breit angelegter impfen – dabei schloss sie das Nicht-EU-Land Großbritannien mit ein. Der Aufschwung verlaufe weltweit ungleichmäßig. Es sei beunruhigend, dass aufstrebende Wirtschaftsnationen und ärmere Länder nicht ausreichend Impfstoffe erhielten. Ein Risiko sei auch die Inflationsentwicklung.
Auch in Deutschland hellt sich der Konjunkturhorizont auf. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im laufenden Jahr 3,3 Prozent erreichen. Das sind 0,3 Punkte mehr als bisher vorhergesagt. Für das kommende Jahr werden 4,4 Prozent erwartet, 0,7 Punkte mehr als zunächst prognostiziert.
Die OECD mit 38 Mitgliedstaaten begann am Montag ein zweitägiges Ministertreffen, das als Videokonferenz veranstaltet wird. Am Dienstag soll Australiens Ex-Finanzminister Mathias Cormann (50) offiziell das Spitzenamt des OECD-Generalsekretärs übernehmen. Der aus dem deutschsprachigen Osten Belgiens stammende Cormann wird damit dem Mexikaner Angel Gurría nachfolgen, der seit 2006 amtiert.
Im Tauziehen um eine globale Steuerreform mit Mindestsätzen für große Konzerne ist laut Gurría eine weitere Verzögerung möglich. Die abschließende Vereinbarung könnte sich bis Oktober hinziehen. Der Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer (G20), der Ende Oktober in Rom geplant ist, solle die endgültige Abmachung dann gutheißen. «Wir haben einen Deal in Sicht. Hoffentlich wird es dieses Jahr passieren», sagte Gurría.
Die Mindeststeuer für international tätige Unternehmen soll dem globalen Wettrennen um den niedrigsten Steuersatz ein Ende setzen. Nach Ansicht von Kritikern nutzen viele große Konzerne alle legalen Möglichkeiten, um Gewinne nach Bedarf in andere Länder zu verschieben und damit Steuern zu sparen. Für Ärger sorgt auch, dass viele, vor allem übers Internet tätige Konzerne dadurch wenige Abgaben in den von ihnen bedienten Märkten zahlen.
Die OECD, die bei den globalen Verhandlungen eine zentrale Rolle spielt, strebte bisher eine Abmachung bis Mitte dieses Jahres an. Zunächst sollte es einen Kompromiss sogar schon Ende 2020 geben, doch wegen der Corona-Pandemie und Meinungsverschiedenheiten kamen die Gespräche langsamer voran als geplant. Gurría rechnet nun damit, dass bis Juli «Umrisse» einer Vereinbarung vereinbart werden können.