Der Hamburger Otto-Konzern erntet in der Corona-Krise die Früchte seiner seit Jahren vorangetriebenen Digitalisierung.
Die Otto Group habe die Pandemie bislang in einer «hervorragenden Verfassung» überstanden, «weil wir seit vielen Jahren konsequent in das Digitalisierungsthema investieren, in die Transformation von Geschäftsmodellen», sagte Vorstandschef Alexander Birken am Mittwoch im Hamburg.
«Wir profitieren auch sehr stark davon, dass wir divers aufgestellt sind und unterschiedlichste Warengruppen haben, beispielsweise auch Möbel, Wohnaccessoires, Weiße Ware, Elektronik bis hin zu Spielwaren, das war definitiv in der Pandemiezeit eine große Stärke», so Birken weiter.
Beim Online-Handel mit Wohnungseinrichtung sieht sich Otto inzwischen sogar als Nummer eins in Deutschland: «Tatsächlich ist es so, dass wir die stärksten Zuwächse im gesamten Bereich rund um das Thema Wohnen, Wohnaccessoires hatten und genauso Weiße Ware», das sind im Branchenjargon Elektro-Haushaltsgeräte. Dabei profitiert der Versandhandels- und Dienstleistungskonzern davon, dass er mit Hermes einen eigenen Transport- und Logistikspezialisten im Konzern hat, der für die Kunden neben der Lieferung auch den Aufbau erledigt.
Für Hermes hatte sich Otto im vergangenen Sommer die internationale Investmentgesellschaft Advent als Partner ins Boot geholt. Advent übernahm 25 Prozent der Geschäftsanteile an Hermes Deutschland und 75 Prozent an Hermes in Großbritannien. Otto verspricht sich davon mehr Spielraum für Investitionen. Die sind aus Sicht Birkens nötig, weil das Liefertempo oft noch nicht stimmt.
«Wir müssen es schaffen, die Geschwindigkeit zum Kunden deutlich zu erhöhen», sagte der Otto-Chef. «Wenn Sie heute eine Waschmaschine bestellen, können Sie die im Zweifel in zwei Tagen nach Hause bekommen». Aber in der Paketlogistik «sind wir heute nicht schnell genug und deswegen werden wir dort in Summe einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag in den nächsten Jahren investieren.» Die Hermes-Gruppe hat im vergangenen Jahr erstmals über eine Milliarde Pakete transportiert und ihren Umsatz mit Kunden außerhalb der Otto Group um gut ein Drittel auf 2,5 Milliarden Euro gesteigert.
Die Otto Group profitierte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 (bis 28. Februar) massiv vom Boom des Online-Handels in der Corona-Pandemie und aus konnte aus eigener Sicht dabei Marktanteile gewinnen. Der Umsatz kletterte auf vergleichbarer Basis um 17,2 Prozent auf rund 15,6 Milliarden Euro. Die reinen E-Commerce-Umsätze legten weltweit sogar um 25,6 Prozent auf rund 9,9 Milliarden Euro zu. Der Jahresüberschuss sprang – allerdings stark begünstigt durch Anteilsverkäufe – auf 971 (Vorjahr: 214) Millionen Euro. Den Ergebnisbeitrag der Veräußerungen bezifferte Otto-Finanzchefin Petra Scharner-Wolff mit rund 600 Millionen Euro.
Ausgezahlt hat sich für Otto die Öffnung der Plattform otto.de für inzwischen rund 1300 externe Anbieter wie Händler und Markenanbieter, die laut Birken mittlerweile für zehn Prozent des Umsatzes bei der Marke Otto stehen. Neben otto.de konzentriert sich die Otto Group seit Jahren auf ertragsstarke Konzernmarken wie den international operierenden Modeanbieter Bonprix, den Spielwarenspezialisten Mytoys, Witt sowie die US-Einrichtungsgruppe Crate and Barrel und die Finanzdienstleistunggruppe EOS, die zu den größten Ertragsbringern zählt.
Ein wichtiger Baustein ist zudem der – nicht in den Konzernzahlen enthaltene – Mode-Onlinehändler About You, der seinen Umsatz gegen den Branchentrend um 57 Prozent auf nunmehr 1,2 Milliarden Euro steigern konnte. Auch «das Thema Firmenzukäufe wird zukünftig wieder eine Rolle spielen in der Otto-Gruppe», kündigte Birken an, ohne allerdings Details zu nennen.