Der Streit um die Reform der milliardenschweren EU-Agrarpolitik geht möglicherweise in die entscheidende Phase. Am Mittwoch kamen die EU-Landwirtschaftsministerinnen und -minister zusammen.
Zudem stritten Unterhändler aus Europaparlament und den EU-Ländern um die letzten Details des 387-Milliarden-Euro-Pakets. Beteiligte gehen davon aus, dass eine Einigung in dieser Woche möglich ist.
Am Mittwoch wurde bis zum Abend jedoch zunächst kein Kompromiss erzielt. Es seien «lange, anstrengende aber sehr konstruktive» Verhandlungen gewesen, twitterte EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski. Um eine Einigung zu erreichen, könne man am Donnerstag unter Umständen noch etwas Zeit gebrauchen. Während sich das Treffen der Agrarministerinnen und -minister am Abend ungeplant in die Länge zog, verhandelten auch die Unterhändlerinnen und Unterhändler von EU-Staaten und Europaparlament noch wie vorgesehen weiter.
Seit vergangener Woche verbreiten Interessensvertreter vermehrt Befürchtungen über den Ausgang der Gespräche. Denn dass die EU-Landwirtschaftspolitik dringend reformiert werden muss, darin sind sich alle einig, aber wie das erreicht werden soll und welche Ziele künftig ganz oben stehen, darüber wird erbittert gestritten. Bereits am Dienstag trafen sich EU-Parlament und EU-Länder zu Gesprächen.
Der Vorsitzende des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), zeigte sich nach einem Runde die am Dienstag stattfand verhalten optimistisch. «Nach über elf Stunden Verhandlungen sind wir uns bei manchen Punkten sehr nahe gekommen», teilte er der Deutschen Presse-Agentur mit. Er glaube an die Möglichkeit einer Einigung, wenn die EU-Länder dem Parlament in Sachen Nachhaltigkeit noch etwas entgegenkämen.
Die Ausrichtung der Landwirtschaftspolitik auf EU-Ebene ist auch für Deutschland bedeutsam. Die bisherige Geldverteilung wird mitverantwortlich gemacht für Umweltbelastungen durch Bäuerinnen und Bauern und das Höfesterben. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass bislang der Löwenanteil der EU-Zahlungen an Flächen der Landwirte gekoppelt ist. Dies hat zur Folge, dass rund 80 Prozent der Fördermittel an 20 Prozent der Betriebe gehen. Zudem werden umweltfreundliche Maßnahmen bislang nur mit einem verhältnismäßig kleinen Teil der Gelder unterstützt.
Umweltschützer bemängeln schon lange einen zu schädlichen Einfluss der Landwirtschaft auf die Umwelt. Hohe Nitratbelastung durch zu viel Dünger oder Pestizideinsatz und Monokulturen zum Schaden von Bienenvölkern sind nur zwei Beispiele. Auch für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen sind Acker- und Viehwirtschaft verantwortlich.
Vertreter von Bauern befürchten vor allem weniger Geld für die Betriebe sowie mehr Bürokratie. Jüngst sprach sich etwa der Deutsche Bauernverband dagegen aus, Sozialstandards auf EU-Ebene festzulegen. Dies sei Angelegenheit der Nationalstaaten. «Der Deutsche Bauernverband lehnt daher eine Verknüpfung der EU-Direktzahlungen mit sozialen Konditionalitätsauflagen ab», hieß es.
Neben Sozialstandards wird derzeit auch noch über sogenannte Öko-Regelungen gestritten. Künftig soll ein bestimmter Anteil des EU-Agrarbudgets an diese Umweltregeln geknüpft sein. Aber auch wofür es dann konkret Geld geben soll und ob EU oder Nationalstaaten diese Regeln festlegen dürfen, steht noch nicht fest.
Umwelt- und Klimaschützer befürchten auch aus diesem Grund, dass am Ende vor allem schöne Überschriften entstehen, aber keine effektiven Maßnahmen für die Natur ergriffen werden. Die Klimaaktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer von Fridays for Future fordern daher schon länger, dass die Reform in ihrer derzeitigen Gestaltung zurückgezogen werden müsse.