Der Audiotechnik-Hersteller Sennheiser gibt seine Konsumgüter-Sparte mit Kopfhörern und Lautsprechersystemen für den Heimbedarf an den Schweizer Hörgeräte-Produzenten Sonova ab.
Man habe dafür jetzt einen Kaufpreis von 200 Millionen Euro vereinbart, berichteten beide Firmen am Freitag. Sofern die Wettbewerbsbehörden zustimmen, soll der Schritt im zweiten Halbjahr umgesetzt werden.
Sonova – spezialisiert auf medizinische Hörhilfen – übernimmt von Sennheiser den kompletten Bereich der Kabel- und Drahtlos-Kopfhörer sowie In-Ear-Hörer für den Alltagsgebrauch, das Zubehör und die Raumklang-«Soundbars» für TV und HiFi. Die Niedersachsen behalten das Geschäft mit professionellen Studio- und DJ-Kopfhörern einschließlich größerer Headsets, mit Mikrofonen, mit Funksendern und -strecken sowie mit Konferenzsystemen und weiterer Veranstaltungstechnik.
Sennheiser hatte bereits seit einiger Zeit nach Investoren für seine «Consumer Electronics»-Sparte gesucht. Am Hauptsitz in der Wedemark bei Hannover sollen die Kapazitäten grundsätzlich bestehen bleiben, vor allem in Forschung und Entwicklung. «Wir wollen die Mannschaft und den Standort erhalten, weil dort die Expertise ist», sagte Sonova-Chef Arnd Kaldowski der Deutschen Presse-Agentur. «Es wäre nicht sinnvoll zu sagen: Ich will das alles in der Schweiz haben.»
Ziel sei es, «das Team zusammen zu halten». Das Sennheiser-Management erklärte, man bespreche mit dem Betriebsrat nun Details zur Abgrenzung der künftigen Einheiten. Wer aber in die Schweiz wechseln möchte, soll einer Mitteilung zufolge «sehr gute Perspektiven» haben.
Für die Kunden ändere sich nichts, sagte Kaldowski: «Die Geräte werden unter der gleichen Marke weitervertrieben.» Dazu werde es zwischen Sennheiser und Sonova – beheimatet in der Nähe von Zürich – eine Lizenzvereinbarung geben. Obwohl die Produkte unterschiedlich seien, «passt das hier gut», so Kaldowski. «Wir werden voneinander lernen. Wir sehen die Entstehung eines neuen Marktes in der Mitte.»
Die Idee: Sennheiser-Kopfhörer bilden künftig auf der einen Seite den «Konsumgüter-Schwerpunkt», Hörhilfen von Sonova den «Medizinprodukte-Schwerpunkt» – dazwischen ist ein Segment kleiner, mobiler, drahtloser Audio-Verstärker geplant. Die Schweizer wollen dazu Technologie ihres Hörgeräte- und Implantate-Bereichs beisteuern.
Kaldowski erklärte, so könne etwa die Batterieladung der im Ohr getragenen Miniatur-Kopfhörer verbessert werden. Gleichzeitig lasse sich deren Leistung so optimieren, dass die Träger ihre Gesprächspartner deutlicher verstehen. Durch die Teilübernahme von Sennheiser soll sich laut beiden Firmen die «Reichweite erhöhen», indem «potenzielle Nutzer von Hörgeräten» früher angesprochen werden.
Auf die Frage, ob man sich so nicht spätere Kundschaft mit Hörschäden schaffen wolle, meinte Co-Chef Andreas Sennheiser, die eigenen Modelle lieferten auch präzise leise Klänge: «Jedes Detail muss schon bei geringeren Lautstärken gehört werden können.» Kaldowski sagte, Menschen mit Hörverlust müssten oft länger auf eine Hörhilfe warten. «Wir sehen dies als Markterweiterung, sie früher hereinzubringen.»
Die Abteilung rund um die klassischen Kopf- und Ohrhörer bei Sennheiser erzielte mit rund 600 Mitarbeitern zuletzt einen Jahresumsatz von gut 250 Millionen Euro. Das 1945 gegründete Familienunternehmen ist in mehr als 50 Ländern vertreten.
Im vergangenen Juli hatte Sennheiser den Abbau von 650 seiner 2800 Stellen angekündigt. Gründe seien das durchwachsene Jahr 2019 und die Folgen der Pandemie für die Veranstaltungs- und Musikbranche. Der zweite Co-Chef Daniel Sennheiser sprach am Freitag von einem Rückgang des «Consumer»-Geschäfts 2020 um etwas weniger als 10 Prozent – die Nachfrage nach drahtloser Audiotechnik wachse allerdings weiter stark. Für 2019 hatte das Unternehmen 3,1 Millionen Euro Verlust ausgewiesen, genauere Zahlen für 2020 soll es im Sommer geben.
Bei Kopfhörern für Smartphones und Tablets konkurriert Sennheiser mit vielen anderen bekannten Marken wie Beats, Sony, Bose oder JBL. Der Markt für Systeme mit aktiver Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen hat in den letzten Jahren stark zugelegt. Wichtiger werden für viele Kunden auch Schnittstellen zu Sprachfunktionen und -assistenten.