Die Deutsche Bahn macht den Rangierbahnhof München-Nord zu Deutschlands erstem digitalen Güterbahnhof.
Computer und Sensoren sollen künftig die Arbeit von Lokführern und Rankgiermeistern übernehmen, Züge automatisiert und damit «effizienter, schneller und kostengünstiger zusammenstellen», sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montag beim Start des Projekts. Das werde dazu beitragen, «mehr Güter auf die Schiene» zu bringen.
Derzeit werden 70 Prozent der Güter in Deutschland auf der Straße transportiert, nur 18 Prozent auf der Schiene. Der notwendige Klimaschutz spielt der Bahn jetzt aber in die Karten: Bis 2030 will sie den Anteil der Schiene auf 25 Prozent erhöhen, 30 Millionen Lastwagen ersetzen und so 10 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die automatisierte Zugbildung ist ein wichtiger Baustein dabei.
Denn bisher ist das ein zeitaufwendiger Knochenjob für rund 10.000 Lokführer und Rangiermeister. Die 20 Kilogramm schweren Stahlkupplungen müssen losgeschraubt, die Bremsen und der Zustand jedes Waggons überprüft werden. Ein durchschnittlicher Güterzug bestehe aus 52 Waggons, sagte DB-Vorstand Sigrid Nikutta. Die Rangierer liefen zwei, drei Mal jeden bis zu 750 Meter langen Güterzug ab, bei Hitze, Kälte und Regen, sagte DB-Cargo-Vorstand Ralf-Günter Kloß.
Die Bahn sei «unschlagbar billig», wenn ein Güterzug ohne Ein- und Auswechseln von A nach B fahre, sagte Martin Bulheller, Sprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). «Aber wenn sie dreimal umrangieren muss, ist sie teurer als ein Lkw.» Einzeltransporte seien umständlicher und wegen fester Fahrpläne unflexibler.
Die Folge: Die meisten Züge fahren heute als «Ganzzüge», zum Beispiel vom Audi-Werk Ingolstadt nach Bremerhaven oder vom Stahlwerk Linz zu den BMW-Werken in Bayern. Der sogenannte Einzelwagenverkehr habe nur einen Anteil von 18 Prozent am gesamten deutschen Schienengüterverkehr, sagte Nikutta. Da müsse mehr gehen.
Genau hier setzt der digitalisierte Rangierbahnhof an. Schon in wenigen Jahren könnte es Alltag sein, dass ferngesteuerte Rangierloks die Waggons aufs richtige Gleis schieben. Eine Kamerabrücke soll mit Künstlicher Intelligenz (KI) Schäden an den Waggons entdecken. Die Bremsen werden über Sensoren und Funk geprüft. Und die Waggons werden mit automatischen Kupplungen aneinandergehängt.
München-Nord wurde als einer der größten und modernsten Rangierbahnhöfe zum Testfeld erkoren. 1200 Waggons werden hier täglich abgefertigt. Mit der automatisierten Zugabfertigung will die Bahn die Kapazität um bis zu 40 Prozent steigern.
Am längsten dürfte die automatische Kupplung auf sich warten lassen. Derzeit sind nur Prototypen in der Erprobung. Europaweit 500.000 Güterwagen sämtlicher Bahnen mit einem einheitlichen Modell auszurüsten, dürfte gut 6 bis 8 Milliarden Euro kosten, sagte Scheuer. Aber im Betrieb würden dann 600 bis 700 Millionen gespart.
Mit der automatischen Kupplung dürfte die Bahn billiger und konkurrenzfähiger werden, sagte Bulheller. «Das kann einen Schub in die richtige Richtung geben.» Der BGL und die Allianz Pro Schiene haben gerade erst das Ziel verkündet, den kombinierten Verkehr von Bahnen und Lkw zu stärken.
Ein Problem sieht Bulheller noch bei dem Plan, den Transportanteil der Güterbahn von 18 auf 25 Prozent zu erhöhen: «Die Rennstrecken auf der Schiene sind schon ziemlich voll.» Das gilt allerdings auch für die Autobahnen.