Im Streit um den Weiterbau der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine Rücknahme der Bau- und Betriebsgenehmigung beantragt.
Die DUH argumentiert dabei mit dem Klimaschutz und dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Das Gericht habe mit seinem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot «neue Tatsachen» geschaffen, heißt es in einer DUH-Mitteilung vom Mittwoch. Außerdem seien wesentliche Erkenntnisse zu Klimawirksamkeit und Umfang der Methan-Emissionen der Erdgaswirtschaft erst nach Erteilung der Genehmigung für Nord Stream 2 im Jahr 2018 bekannt geworden.
Umwelthilfe fordert Widerruf von Baugenehmigung
In ihrem Antrag vom Mittwoch verlangt die DUH einen Widerruf der Genehmigung durch das BSH. «Hilfsweise beantragt die DUH, die unterlassene Klimaschutzprüfung nachzuholen und für diesen Zeitraum den Weiterbau der Pipeline auszusetzen.» Das Verwaltungsrecht gebiete die Rücknahme einer Genehmigung, «wenn sich nachträglich und auf Grund neuer Tatsachen herausstellt, dass die Genehmigung gar nicht hätte erteilt werden dürfen und das öffentliche Interesse gefährdet ist». Vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), das die Genehmigung erteilt hat, lag zunächst keine Stellungnahme vor.
«Es liegt auf der Hand, dass Nord Stream 2 mit seiner immensen Klimawirkung dem öffentlichen Interesse entgegensteht. Das vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Restbudget für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels würde mit der Pipeline erheblich schneller aufgefressen», sagte DUH-Klimaexperte Constantin Zerger laut Mitteilung. «Bau und Betrieb von Nord Stream 2 sind damit ein klarer Verstoß gegen das Klimaschutzgebot des Artikels 20a des Grundgesetzes. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung in ihren eigenen Prognosen von einem Rückgang des Gasverbrauchs ausgeht. Nord Stream 2 ist nicht nur eine Gefahr für die Klimaziele, es ist auch energiewirtschaftlich unnötig.»
Wurden Naturschutzaspekte ausreichend geprüft?
Die DUH wehrt sich bereits mit Klagen gegen Weiterbau und Betrieb von Nord Stream 2. Zuletzt hatte sie nach Ablehnung ihres Widerspruchs gegen eine Baugenehmigung für die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 geklagt, weil Naturschutz- und Klimaaspekte nicht ausreichend geprüft beziehungsweise ignoriert worden seien. Das BSH hatte zuvor Widersprüche der DUH und des Naturschutzbundes Deutschland gegen eine Baugenehmigung von Mitte Januar zurückgewiesen.
«Die Klage richtet sich gegen eine neue Genehmigung aus dem Januar 2021, die Bauarbeiten im Zeitfenster von Oktober bis Mai erlaubt», so die DUH. «Mit dem heutigen Antrag möchte die DUH dagegen erreichen, dass die ursprüngliche Genehmigung aus 2018, die den Bau im Zeitfenster von Juni bis September sowie den Betrieb der Pipeline erlaubt, aus Klimaschutzgründen widerrufen wird.»
Schwesig steht weiter zu Nord Stream 2
Unabhängig von der neuen Klage hat Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ihre Unterstützung für die umstrittene Pipeline bekräftigt. Wegen des Ausstiegs aus Atom und Kohle werde für eine Übergangszeit das Gas benötigt, sagte sie in Rostock auf dem von Mecklenburg-Vorpommern ausgerichteten Russlandtag. Der Bau der Pipeline sei durch die USA und deren Sanktionsdrohungen stark bedroht worden, so Schwesig weiter. Sie hoffe nun darauf, dass die anstehenden Gespräche von US-Präsident Joe Biden und Präsident Wladimir Putin dazu beitragen, eher Gemeinsamkeiten als Unterschiede zu suchen.
Der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, zeigte sich auf dem Russlandtag überzeugt davon, dass Nord Stream 2 trotz «verschiedener Drohgebärden und Sanktionen» noch in diesem Jahr fertig gebaut wird. «Da sind wir zu 100 Prozent sicher, dass wir in diesem Jahr das bis zum Ende machen.»