Wie kann man am Kotelett in der Kühltheke sehen, dass es das Schwein einmal besser hatte? Um ein Logo für Supermarktkunden, das mehr Klarheit über die Bedingungen in den Ställen schafft, wird schon lange gerungen.
Ein von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) geplantes staatliches Kennzeichen für höhere Standards als vorgeschrieben kam nicht zustande. Parallel treiben Handelsketten eine eigene Kennzeichnung voran und verkündeten schon Pläne für Umstellungen des Fleischsortiments. Auch bei der Bundestagswahl geht es um die Frage: Kommt in Sachen Tierwohl noch was auf die Packungen?
Klöckner machte klar, dass sich ein umfassenderes Logo für sie nach dem Vorstoß der Supermärkte nicht erledigt hat. «Es gibt den klaren Wunsch vieler Verbraucher nach einem staatlichen Tierwohlkennzeichen, das glaubwürdig ist und ein Mehr an Tierwohl schnell erkennbar macht», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Dabei gehe es um die Bedingungen in der gesamten Lebensspanne eines Tieres. «Die Kennzeichnung des Handels gibt lediglich die Haltung in der Mast wieder. Aber Tierwohl hat zum Beispiel bei Schweinen etwas mit dem Ferkel-Aufwuchs zu tun, auch der Transport spielt eine Rolle.»
Aldi prescht vor
Große Supermarktketten hatten 2019 eine einheitliche Kennzeichnung für Fleisch eingeführt. Das Logo mit der Aufschrift «Haltungsform» hat vier Stufen, die aber schon mit dem gesetzlichen Mindeststandard beginnen und nicht erst darüber. Der Discounter Aldi will bis 2030 den Verkauf von Fleisch einstellen, das von Tieren der unteren zwei Stufen stammt – also aus reiner Stallhaltung ohne Außenluft. Auch andere Händler kündigten schrittweise Umstellungen des Sortiments hin zu höheren Stufen an, die etwa mehr Platz oder Auslauf vorsehen. Bei Schwein kamen zuletzt noch rund 80 Prozent aus der untersten Stufe 1.
Auf der politischen Bühne geht die Debatte aber weiter, und zwar auch um die ganze Stoßrichtung. Klöckner sagte, die neue Regierung müsse die Frage beantworten: «Will sie lediglich den Status quo abbilden? Dann macht sie eine Haltungskennzeichnung. Oder will sie eine Transformation hin zu mehr Tierwohl voranbringen und sichtbar machen? Unser Modell ist ein Positiv-Kennzeichen – es bildet höhere Standards ab, die über dem Gesetz liegen.» So sei es beim Bio-Siegel auch. Wer wie die SPD sage, das national verpflichtend haben zu wollen, verstoße aber gegen EU-Recht. Daher habe sie ein europäisches Tierwohlkennzeichen angestoßen. «Der Ball rollt sozusagen.»
Vom aktuellen Koalitionspartner kam prompt Contra. Klöckners Aussagen zu einem staatlichen Label seien «nichts als heiße Luft und völlig unglaubwürdig», sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der dpa. Er verwies auf eine Expertenkommission um den früheren Minister Jochen Borchert, die breit getragene Kriterien für ein Logo erarbeite. Damit die nächste Bundesregierung es schnell einführen könne, sollte die Kommission sie bis zum Beginn von Koalitionsverhandlungen vorlegen.
Künast: «Krachend gescheitert»
Grünen-Expertin Renate Künast warf Klöckner vor, mit ihren eigenen Plänen für ein freiwillig verwendbares Label «krachend gescheitert» zu sein. Es sei seit den Ankündigungen des Handels auch vollkommen überholt. «Eine staatliche Kennzeichnung kann nur Vertrauen schaffen, wenn jedes Stück Fleisch in der Theke gekennzeichnet ist.» Die Verbraucherzentralen setzen weiter auf ein staatliches Logo, das im EU-Binnenmarkt jedoch nicht allein national obligatorisch zu machen sei. «Ich bin aber der festen Überzeugung, dass Europa erst dann zu einem verbindlichen Label kommen wird, wenn große Nationalstaaten einen Schritt vorangegangen sind», sagte der Chef des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Es sei am nächsten Ressortchef, das umzusetzen.
Auch bei den Tierwohl-Vorstößen von Aldi und Co. gibt es einige offene Fragen. «Man kann nur hoffen, dass das keine PR-Aktion ist», sagte Klöckner. Es gebe bisher keine Garantie, Tierhaltern für die nötigen Mehrkosten bei einer Umstellung auf höhere Standards auch höhere Preise zu zahlen. «Aldi sagt nichts über die Bezahlung, oder ob die Ware dann aus dem Ausland kommt statt aus der Region.» Der Bauernverband und weitere Organisationen fassten schon dazu nach und mahnten eine Einbeziehung an: «Den Worten müssen Taten folgen.» So sei es «eine Frage der Glaubwürdigkeit», nicht nur Haltungskriterien für Masttiere vorzusehen. Ohne die vorherige Sauenhaltung und Ferkelaufzucht blendete man einen wesentlichen Lebensabschnitt aus.