Wegen mutmaßlichen Millionenbetrugs mit vorgetäuschten Windkraftprojekten muss sich ein Ex-Unternehmer aus dem Emsland seit Dienstag in Osnabrück vor Gericht verantworten.
Mit dem 31-Jährigen sind seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester sowie ein Geschäftspartner angeklagt. Zu Prozessbeginn am Landgericht verlas die Staatsanwaltschaft fast drei Stunden lang die komplizierte Anklage mit dem Vorwurf von banden- und gewerbsmäßigem Betrug (Az.: 2 KLs 1/21). Der Hauptangeklagte war im vergangenen Jahr im Berliner Nobelhotel Adlon festgenommen worden.
Den entstandenen Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft auf etwa zehn Millionen Euro. Die Angeklagten sollen über mehrere Jahre internationale Geschäftspartner mit gefälschten Dokumenten zu angeblich geplanten Windparks in Niedersachsen getäuscht haben. Opfer wurden die deutschen Tochterfirmen von Energiegesellschaften aus Italien, Tschechien und Schottland. Die Firmen leisteten Vorauszahlungen für angebliche Entwicklungsschritte.
Potemkinsche Dörfer
«Tatsächlich wussten die Angeklagten, dass die Windkraftprojekte frei erfunden waren», sagte der Staatsanwalt. Die Windparks seien «Potemkinsche Dörfer» gewesen. Um deren Existenz vorzutäuschen, sollen sie Dutzende Verträge über die Nutzung von Flächen oder Unterstützungsschreiben von Gemeinden gefälscht haben. Sie stellten die falschen Urkunden in virtuelle Datenräume ein, in denen sich die Kunden über den vermeintlichen Fortschritt informieren konnten. Allein für das Geschäft mit dem tschechischen Partner listete die Staatsanwaltschaft mehr als 200 mutmaßlich gefälschte Dokumente auf.
Die Gruppe arbeitete der Anklageschrift nach mit verteilten Rollen: Der Jungunternehmer warb neue Kunden an, sein Kompagnon war Finanzdirektor. Die Mutter führte das Büro und verwaltete das Hauptkonto. Sie und die Schwester sollen die falsche Dokumente erstellt haben. An falschen Unterschriften sollen alle Angeklagten beteiligt gewesen sein. Der Bruder soll als IT-Experte die digitalen Dokumente gefälscht haben – teils mit Hilfe von Photoshop. Mit dem Geld habe die Familie ihren luxuriösen Lebensstil finanziert.
Bebaubare Flächen sind Nadelöhr
In der Windenergiebranche habe das Unternehmen des Hauptangeklagten keine Rolle gespielt, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie, Wolfram Axthelm, in Berlin. «Der Fall zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert. Es ist wichtig, dass Betrug sich nicht auszahlt.» Axthelm sieht aber den Mangel an Flächen für Windräder als einen Grund, warum der Schwindel funktionieren konnte. «Generell stellen rechtssicher bebaubare Flächen in der Windenergie das Nadelöhr dar, um Projekte erfolgreich zu entwickeln.»
Die Angeklagten äußerten sich am Dienstag nicht zu den Vorwürfen. Bis Januar 2022 hat das Landgericht 52 Verhandlungstage angesetzt.