Am 14. September 2016 war Bayer endlich am Ziel. Nach monatelangem Feilschen akzeptierte der US-Saatgutriese Monsanto das über 60 Milliarden Dollar schwere Übernahmeangebot des Leverkusener Agrarchemie- und Pharmakonzerns.
Bayer-Chef Werner Baumann schrieb Geschichte – er wagte den größten Zukauf, den je eine deutsche Firma im Ausland stemmte. Doch fünf Jahre später fällt die Bilanz ernüchternd aus. Klagewelle, Imagekrise, Milliarden-Risiken, Rekordverlust – Monsanto bereitete Bayer bislang vor allem Probleme. Und die Folgen des Mega-Deals machen dem Konzern weiter zu schaffen.
Anfängliche Euphorie
Dabei war die Zuversicht so groß. «Das kombinierte Unternehmen ist sehr gut positioniert, um am Agrarsektor und dessen erheblichem langfristigem Wachstumspotenzial teilzuhaben», verkündete Bayer am Tag der Übernahmevereinbarung. Tatsächlich stieg der Dax-Konzern durch die Akquisition schlagartig zum größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln auf. Für die Aktionäre werde sich der Zukauf lohnen, versprach Bayer. Trotz Warnungen vor Monsantos schlechtem Ruf und einer Reihe erster Klagen, etwa wegen des Unkrautvernichters Glyphosat, war Bayer bereit, tief in die Taschen zu greifen – und bot den Amerikanern letztlich einen Aufschlag von 44 Prozent auf ihren letzten Aktienkurs vor der ersten Übernahmeofferte.
Aber das Großprojekt gestaltete sich von Anfang an als schwieriges Unterfangen. Bereits die Einholung der Genehmigungen bei den internationalen Aufsichtsbehörden dauerte wesentlich länger als zunächst angenommen. Letztlich gaben die US-Kartellwächter erst Mitte 2018 grünes Licht für die Fusion, die Bayer eigentlich schon Ende 2017 hatte abschließen wollen. Außerdem erfolgte die Zustimmung der Wettbewerbshüter nur unter weitreichenden Auflagen. Bayer musste milliardenschwere Geschäftsanteile an die Konkurrenz veräußern, damit die Marktmacht des fusionierten Konzerns nicht zu groß wird.
Trotz der starken Zugeständnisse und der hinlänglich bekannten juristischen Konflikte, die mit Monsanto übernommen wurden, stellte sich das Bayer-Management demonstrativ hinter den Deal und verteidigte den finanziellen Kraftakt energisch gegenüber Kritikern. Angesichts großer Zusammenschlüsse im Agrarchemie-Sektor – etwa der Fusion von Dow Chemical und Dupont zum Branchengiganten Dowdupont und der Übernahme des Schweizer Rivalen Syngenta durch Chemchina – galt es, den Anschluss nicht zu verlieren. So holte Bayer-Chef Baumann, der damals erst wenige Tage im Amt war, 2016 zum großen Wurf aus.
Glyphosat-Ärger
Der rechtliche Ärger, den Monsanto verursachen sollte, hatte man in Leverkusen offenbar unterschätzt. Der US-Konzern war wegen des Pestizids Glyphosat, das einige Studien für krebserregend halten, bereits mit Klagen konfrontiert. Nach einer ersten Prozessschlappe im August 2018 brach eine regelrechte Glyphosat-Klagelawine über Bayer herein. Hinzu kamen weitere juristische Altlasen von Monsanto, etwa das Herbizid Dicamba, das zwar Unkraut tötet, aber auch Nutzpflanzen – sofern sie nicht aus genetisch modifizierter Saat stammen. Eine weitere rechtliche Baustelle ist die Chemikalie PCB, die US-Kläger etwa für verseuchte Gewässer und Hirnschäden verantwortlich machen.
Für den Bayer-Konzern entwickelten sich die juristischen Auseinandersetzungen in den USA rasch zu einem beherrschenden Thema. Am Kapitalmarkt brachte die Klagewelle das Unternehmen stark unter Druck, im ersten Jahr nach Abschluss der Übernahme sank Bayers Aktienkurs um gut 37 Prozent. Rund 31 Milliarden Euro an Börsenwert gingen dadurch verloren, die Marktkapitalisierung fiel rasch unter den Kaufpreis von knapp 63 Milliarden Dollar, den Bayer für Monsanto zahlte. Mittlerweile ist der Börsenwert noch weiter abgesackt und lag zuletzt bei 53 Milliarden Dollar. Seit Vereinbarung der Übernahme vor fünf Jahren beläuft sich der Kursverlust insgesamt sogar auf über 50 Prozent.
Klagen halten Bayer in Atem
Baumann verpassten die Aktionäre im April 2019 wegen des Debakels um den Monsanto-Zukauf einen historischen Denkzettel. Als erstem amtierenden Vorstand eines Dax-Konzerns wurde ihm auf der damaligen Hauptversammlung die Entlastung verweigert. Inzwischen hat sich der Ärger gelegt, doch die vielen Klagen halten das Unternehmen und seine Anleger weiter in Atem. Zwischenzeitlich hatte es so ausgesehen, als könnte Bayer sämtliche Glyphosat-Verfahren in den USA auf einen Schlag abhaken, mit einem milliardenschweren großen Vergleich. Doch mittlerweile hat der Konzern seinen Kurs wieder ändern müssen.
Weil ein Richter einen wichtigen Teil des mit Klägern ausgehandelten Kompromisses nicht akzeptierte, setzt Bayer jetzt auf eine Entscheidung des Obersten US-Gerichts, um eine Wende herbeizuführen. Das Unternehmen reichte Mitte August einen Antrag auf Revision eines Urteils in einem der drei bisher abgeschlossenen Glyphosat-Prozesse in den USA ein – die Bayer allesamt verlor. Eine höchstrichterliche Entscheidung zugungsten des Konzerns hätte Signalwirkung und käme einem Befreiungsschlag gleich. Bis dahin wäre es aber ein weiter Weg. Bislang ist unklar, ob der Supreme Court den Fall überhaupt annimmt.
Für den Fall, dass sich das Oberste US-Gericht mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder gegen Bayer entscheidet, bildete der Konzern kürzlich weitere Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar. Zuvor hatte Bayer bereits mehr als 11 Milliarden Dollar für ein Vergleichspaket zur Beilegung von US-Klagen zur Seite gelegt. Im vergangenen Jahr brockten diese Rechtslasten Bayer ein Minus von 10,5 Milliarden Euro ein -und damit den höchsten Verlust in der über 155-jährigen Konzerngeschichte. Das Unternehmen betont indes, dass die laut US-Klagen krebserregenden Unkrautvernichter mit dem Wirkstoff Glyphosat bei sachgemäßer Verwendung sicher seien.