Die Finanzmärkte der Türkei haben am Freitag heftige Turbulenzen erlebt. Die Kurse von Lira, türkischen Staatsanleihen und den Aktienmärkten gingen auf Talfahrt. Das Vertrauen in die türkische Geld- und Wirtschaftspolitik ist erschüttert.
Am Donnerstag hatte die Notenbank des Landes ihre Zinssenkungen trotz hoher Inflation fortgesetzt. Seit Spätsommer hat die Notenbank den Leitzins um insgesamt 5,0 Prozentpunkte reduziert, obwohl die Teuerung seither deutlich angezogen hat. Nach der Zinssenkung liegt der Leitzins noch deutlicher unter der türkischen Inflationsrate. Diese hatte im November bei 21,3 Prozent gelegen.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan übt Druck auf die Notenbank aus und fordert immer wieder Zinssenkungen. Er hat bereits mehrere Notenbankmitglieder entlassen, die nicht auf seiner Linie waren. Er glaubt entgegen der vorherrschenden Lehrmeinung, dass hohe Zinsen eine Inflation verursachen.
Die türkische Lira beschleunigte am Freitag ihren Sinkflug. Am Nachmittag wurden zu Dollar und Euro abermals historische Tiefstände markiert. Im Gegenzug mussten für einen Dollar erstmals mehr als 17 Lira gezahlt werden, für einen Euro waren erstmalig mehr als 19 Lira fällig. Dollar und Euro legten jeweils um mehr als sieben Prozent zur Lira zu. Zum US-Dollar verlor die Lira in diesem Monat rund 40 Prozent an Wert.
Die türkischen Aktienmärkte hatten in den vergangenen Tagen trotz einer Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfeldes noch merklich zugelegt. Am Freitag kam es jedoch zu einem Kurseinbruch. Die türkische Börse setzte den Handel mit Aktien und Aktienderivaten am Freitag zweimal vorübergehend aus. Der Leitindex Bist 100 sank im Tief um mehr als 9 Prozent. Händler sprachen von einer Trendwende am türkischen Aktienmarkt. Die Anleger brächten ihr Geld in Sicherheit und die Kapitalflucht nehme zu.
Unter Druck geraten sind auch die türkischen Staatsanleihen. Die Rendite der in Dollar nominierten zehnjährige Anleihe stieg auf 7,57 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 2010. Der Anleihemarkt leidet auch unter dem schrittweisen Ausstieg der US-Notenbank aus ihrer lockeren Geldpolitik. So werden die Anleihen von Schwellenländern weniger attraktiv.
Erdogan hat sich auch durch den Währungsverfall nicht von seiner Politik abbringen lassen. Er verteidigt seine Politik immer wieder gegen Kritik. Er spricht von einem «neuen Wirtschaftsmodell» und glaubt, mit einem niedrigen Leitzins den Export ankurbeln zu können. Mit einer lockeren Geldpolitik will Erdogan zudem für mehr Investitionen, Beschäftigung und Produktion sorgen. Die Bevölkerung leidet aber unter den hohen Preisen. Zuletzt gab es immer wieder Demonstrationen gegen die Politik.
Unterdessen hat die Europäische Union (EU) beschlossen, die Beitrittsverhandlungen mit dem Land weiterhin nicht fortzuführen. Man bedauere, dass sich die Türkei immer weiter von der EU entferne, hieß es.