Leicht dürfte einem wie ihm der Abschied von der Politik nicht fallen. Peter Altmaier saß 27 Jahre lang im Bundestag, war fast zehn Jahre Bundesminister und ein enger Wegbegleiter von Angela Merkel – er hat die Politik in der vergangenen Zeit maßgeblich mitgestaltet. Am Mittwoch ist seine politische Karriere vorbei.
Eigentlich wollte Altmaier es noch einmal wissen und war noch einmal angetreten in seinem Wahlkreis. Den verlor er, zog aber über die CDU-Landesliste im Saarland in den Bundestag ein. Dann aber verzichtete er – zusammen mit der scheidenden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer – zugunsten jüngerer CDU-Politiker auf sein Mandat.
Wie geht es weiter?
Nun also ist Schluss mit der Politik, wenn am Mittwoch die neue Regierung im Amt ist. Was macht so jemand wie Altmaier dann? Lobbyist werde er nicht, erzählt der 63-Jährige am Montag in Berlin. Ausschlafen möchte er, sich ausruhen und aufräumen, Unterlagen aus fast 30 Jahren im politischen Geschäft. Vielleicht schreibt er ein Buch? Es werde nicht nur «Müßiggang» sein, sagt der Junggeselle, er wolle sich mit grundsätzlichen Fragen beschäftigen.
Bis Februar will er eine Art öffentliche Auszeit nehmen, dann will er als «interessierter Beobachter des Zeitgeschehens» wieder zur Verfügung stehen. Anfragen gebe es schon jetzt genug, verrät er in einem Saal des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin.
Noch ist es «sein» Ministerium, in das er im März 2018 einzog, als erster CDU-Minister seit Jahrzehnten. Ein später Erbe des legendären Wirtschaftsministers Ludwig Erhard? Altmaier galt als Merkels «Allzweckwaffe», er war zuvor parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, Umweltminister, Kanzleramtschef, geschäftsführender Finanzminister.
Auch wenn er die Aula des Wirtschaftsministeriums in «Ludwig-Erhard-Saal» umtaufen ließ und am Montag sagt: «In aller Bescheidenheit darf ich sagen, das Bundeswirtschaftsministerium ist wieder wer» – ein neuer Erhard ist Altmaier nicht geworden. Seine Bilanz hat Licht und Schatten.
Umstrittene Industriestrategie
Besonders in Erinnerung geblieben vor allem bei Wirtschaftsverbänden ist seine umstrittene Industriestrategie, die er Anfang 2019 vorstellte und die er persönlich verfasste. Es hagelte Kritik, weil Altmaier für eine aktive Industriepolitik des Staates eintrat. Die Familienunternehmer etwa sprachen von einem «Irrweg», auch weil Altmaier in seiner Strategie den Mittelstand vergessen hatte.
Im Rückblick spricht er von einer «Tollpatschigkeit». Aber Altmaier konnte einstecken – gemäß seines Mottos, er habe seine Rolle als Minister so verstanden, «Breschen zu schlagen und den Buckel hinzuhalten». Denn gerade in der Industriepolitik hat er einiges auf der Haben-Seite zu verbuchen. In enger Zusammenarbeit mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire trieb er Initiativen auf EU-Ebene voran. Ein Ergebnis ist der Aufbau einer europäischen Fertigung von Batteriezellen für Elektroautos.
Und dann war da Corona. Die Bedeutung des Wirtschaftsminister wuchs. Zusammen mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte Altmaier im März 2020 seinen wohl größten Auftritt. Die beiden Minister kündigten kurz nach Ausbruch der Pandemie umfassende und milliardenschwere staatliche Hilfen an, um Firmen und Jobs zu erhalten. Scholz prägte den Begriff «Bazooka», als er ein Kreditprogramm mit quasi unbegrenzter Feuerkraft verkündete. Es sei gelungen, die wirtschaftliche Substanz der deutschen Volkswirtschaft zu erhalten, sagt Altmaier heute.
Blick auf die Energiepolitik
Dafür ist ihm auf einem anderen wichtigen Feld bei weitem nicht alles gelungen: der Energiepolitik, für die er auch zuständig war. Zwar brachte er nach Beschlüssen einer Kommission den Kohleausstieg bis spätestens 2038 auf den Weg – die Ampel strebt diesen nun für 2030 an. Vor allem aber der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne kam in Altmaiers Ministerzeit nicht richtig in Fahrt. Er lieferte sich jahrelange Streitereien mit dem SPD-geführten Umweltministerium.
2019 wollte Altmaier auf einer Demo der Klimaaktivisten von «Fridays for Future» vor seinem Ministerium reden – er kam aber nicht zu Wort und wurde ausgebuht. Heute sagt Altmaier, er hätte sich gewünscht, dass in der schwarz-roten Koalition notwendige Entscheidungen zum Klimaschutz schneller und mutiger getroffen worden wären.
Nachfolger wird Robert Habeck
Das ist nun die Aufgabe seines Nachfolgers Robert Habeck. Der Grünen-Politiker wird neuer «Superminister» und ist neben Wirtschaft auch für Klima zuständig. Es liegen große Aufgaben vor Habeck. Altmaier sagt, er drücke ihm alle Daumen. Und erzählt dann eine typische Altmaier-Anekdote.
Er habe Habeck 2012 kennengelernt, als dieser gerade frisch gebackener Umweltminister in Schleswig-Holstein war. Ein Kollege aus der Grünen-Fraktion habe ihn gebeten, ihm seine Handynummer zu geben, damit Habeck mit ihm Kontakt aufnehmen könne. Die Nummer sei dann aber gehackt worden («nicht von Habeck»). Ihn hätten Leute angerufen, warum er schon wieder seine Weight-Watchers-Diät abgebrochen habe.
Das scheint er nun im politischen Ruhestand nachzuholen. Der «Bild» erzählte Altmaier, er habe seine Ernährung umgestellt: «Zum Frühstück gibt’s jetzt nur noch zuckerfreies Müsli mit Heidelbeeren und Ananas, zum Abendessen mageres Hühnchen.»