Das Kapitel A380 ist für den Flugzeugbauer Airbus zu Ende – nur 16 Jahre nach dem Erstflug. Die arabische Airline Emirates nahm die letzte Maschine des weltgrößten Passagierjets mit der Seriennummer MSN272am Donnerstag in Hamburg Empfang.
Wenig später startete das Flugzeug vom Werksgelände in Finkenwerder unter der amtlichen Emirates-Kennung A6-EVS zum Überführungsflug nach Dubai. Anders als der kommerzielle Start des Riesenfliegers erfolgte die Auslieferung ohne großes Spektakel: Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie waren Gäste von der Übergabe auf dem Werksgelände im Stadtteil Finkenwerder ausgeschlossen.
Mit dem gigantischen Flugzeug, das in Größe und Kapazität den legendären Boeing-Jumbo 747 in den Schatten stellt, wollte der europäische Flugzeugbauer einst die Luftfahrt revolutionieren. Die Idee der Entwickler war, auf Rennstrecken zwischen großen Luftverkehrsknoten möglichst viele Passagiere mit möglichst wenigen Flugzeugen transportieren zu können. «Die zunehmende Verdichtung des Luftraumes und der Platzmangel an den Flughäfen verlangen geradezu nach größeren Flugzeugen», formulierte Konstrukteur Jürgen Thomas, der als «Vater der A380» gilt. Große Chancen rechnete man sich vor allem in Asien aus. Der langjährige Airbus-Verkaufschef John Leahy vertrat diese Argumentation auch noch, als er schon jahrelang keine neuen A380-Bestellungen mehr hereingeholt hatte.
Kundenwünsche haben sich verändert
Mittlerweile haben sich Kundenwünsche geändert – Airlines bevorzugen eher kleinere zweistrahlige Maschinen für möglichst viele Direktflüge auch zwischen kleineren Flughäfen in aller Welt. Denn Riesenflieger wie Boeings 747 oder eben die A380 verbrauchen mit ihren vier Triebwerken viel Treibstoff – das ist nicht wirtschaftlich, besonders wenn die Jets nicht voll besetzt sind. Hinzu kommen höhere Wartungskosten. Auch Boeing hat das Ende der 747-Ära deswegen schon verkündet.
Zwar hat Airbus Mitte des vorigen Jahrzehnts immerhin in der laufenden Produktion die Gewinnschwelle erreicht – unter dem Strich aber wohl keinen Euro mit dem Flugzeug verdient, rechnet man milliardenschwere Entwicklungskosten hinzu. Nach etlichen Abbestellungen musste der frühere Airbus-Chef Tom Enders 2019 die Reißleine ziehen und verkündete vorzeitig das Aus für das A380-Programm. In die Entwicklung des Flugzeugs flossen öffentliche Gelder – vor allem aus Frankreich, Deutschland und Spanien. Airbus versprach nun, dass das Projekt A380 nicht beendet sei – schließlich wolle man die vorhandene Flotte weiterhin unterstützen. Beispielsweise arbeitet der Hersteller nach eigener Aussage weiter daran, die Wettbewerbsfähigkeit der Flugzeuge zu verbessern, etwa bei den Wartungskosten, wie Vorstandsmitglied Philippe Mhun sagt.
Der doppelstöckige Passagierjet hatte Airbus schon länger große Sorgen bereitet. Kaum noch eine Fluglinie hatte das Modell geordert. Wie viele A380 man verkaufen wollte, wurde zwar nie offiziell beziffert. «Damals gab es völlig überzogene Marktprognosen», sagt aber der Luftverkehrsexperte Andreas Spaeth. Er geht davon aus, dass Airbus erst «jenseits der 500» Geld mit der A380 verdient hätte. Mit der letzten Emirates-A380 waren es am Ende nur 251 ausgelieferte Maschinen.
Mhun: «Grundstein» bei der Entwicklung von Airbus
Airbus mag den Ausflug in die Welt der Riesenflieger gleichwohl nicht als teure Fehlentscheidung werten. Mhun, Programm-Chef des Konzerns, nannte das Flugzeug auf dpa-Nachfrage einen «Grundstein» bei der Entwicklung des multinationalen Unternehmens von einem Joint Venture mehrerer Gesellschaften «zu einem wirklich integrierten Unternehmen» – in technischer, industrieller und kultureller Hinsicht. Zudem seien viele der A380-Innovationen später dem zweistrahligen Modell A350 zugute gekommen, sagt Mhun: «Ohne die 380 wäre Airbus heute nicht Airbus, ohne die 380 wäre die 350 heute nicht die 350, und das ist etwas, das wirklich wichtig ist.»
Zudem war der Riesenflieger immer auch ein Prestigeprojekt im Kampf gegen den großen US-Rivalen Boeing, der den Himmel der vierstrahligen Großraumflieger damals mit dem Jumbo allein besetzt hatte. «Der Airbus A3XX wird nie fliegen. Für dieses Flugzeug gibt es keinen Markt, das bringen die Europäer nicht fertig», prophezeite Boeing einst. Vor diesem Hintergrund sagt Airbus-Vorstandsmitglied Mhun heute: «Ich denke, das war es wert. Bedenken Sie, dass wir ein Herausforderer von Boeing waren. Es war die richtige Entscheidung.»
123 Exemplare des A380 kaufte Emirates
Emirates hat Airbus insgesamt 123 Exemplare des Flugzeugs abgenommen, fast die Hälfte aller 251 jemals verkauften A380. Allerdings hat die Airline inzwischen schon fünf ausgemustert. Emirates-Chef Tim Clark versicherte am Donnerstag: «Die A380 wird auch in den kommenden Jahren das Flaggschiff von Emirates bleiben und eine wichtige Säule unserer Flugpläne darstellen.» Airbus-Chef Guillaume Faury dankte Emirates für das «unerschütterliche Vertrauen» in das Flugzeug.
Die Lufthansa dagegen, mit 14 Exemplaren auch einer der größeren unter den insgesamt nur 14 A380-Kunden, hat das Kapitel offiziell geschlossen. Das sei kein Thema mehr, so Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Die Maschinen stehen eingemottet im spanischen Teruel, sechs davon hat Airbus bereits zu einem ungenannten Preis zurückgenommen. «Das ist ganz normal und passiert bei jedem Programm», sagt Airbus-Manager Mhun. Er hofft, dass sich für die Gebrauchtflieger Käufer finden, sobald sich die Luftfahrtbranche von der beispiellosen Corona-Krise mit Einbrüchen vor allem auf den langen Strecken erholt.