Die vierte Corona-Welle, Unsicherheiten wegen der Omikron-Virusvariante und Lieferengpässe verderben der deutschen Wirtschaft die Stimmung vor Weihnachten. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im Dezember das sechste Mal in Folge.
«Die verschärfte Pandemielage trifft konsumnahe Dienstleister und den Einzelhandel hart», erläuterte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Bank-Volkswirte gehen davon aus, dass Europas größte Volkswirtschaft im Winterhalbjahr schrumpft, bevor es im Frühjahr wieder aufwärts gehen soll. Die Deutsche Bundesbank rechnet mit einem schwächeren Wachstum in diesem und im kommenden Jahr und einer höheren Inflation als im Sommer angenommen.
Die deutsche Wirtschaft schrumpft
«Der Aufschwung verschiebt sich zeitlich etwas nach hinten», sagte der scheidende Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Im laufenden Jahr erwartet die Notenbank ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,5 Prozent. Im Juni war sie noch von einem kalenderbereinigten Plus von 3,7 Prozent ausgegangen. Für 2022 wird ein Anstieg der Wirtschaftsleistung von 4,2 Prozent erwartet (Juni-Prognose: 5,2 Prozent). Die Bundesbank-Experten sind für das kommende Jahr damit etwas optimistischer als viele Wirtschaftsforschungsinstitute, die mit einem Wachstum von weniger als 4 Prozent rechnen.
Christoph Swonke, Konjunkturexperte der DZ Bank, sprach mit Blick auf das kommende Jahr von einem «wirtschaftlichen Stotterstart. Der Konjunkturmotor dürfte erst ab dem zweiten Quartal wieder besser laufen.» Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr etwas schrumpfen dürfte.
Corona-Maßnahmen belasten den Handel
Strengere Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belasten vor allem das wichtige Weihnachtsgeschäft in Handel und Gastgewerbe. Viele Einzelhändler hätten das Weihnachtsgeschäft bereits abgeschrieben, klagte der Handelsverbandes Deutschland (HDE) jüngst. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga warnte, viele Betriebe könnten nicht mehr rentabel arbeiten. Mit der 2G-Regel – Zugang nur für Geimpfte und Genesene – sei der Umsatz in Restaurants und Hotels bereits um mehr als die Hälfte eingebrochen. «Noch höhere Einbußen melden Betriebe in Ländern, in denen 2G Plus gilt», sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick mit Blick auf die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter 4800 Betrieben.
Die Bundesbank-Ökonomen gehen davon aus, dass der Privatkonsum ab Frühjahr 2022 deutlich an Fahrt gewinnt. «Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden eine Zeit lang mehr von ihrem verfügbaren Einkommen ausgeben als noch vor der Pandemie», erläuterte Weidmann. Zudem sollten sich die Lieferengpässe bis Ende 2022 auflösen, das dürfte dem Export vorübergehend einen starken Schub geben.
Weidmann mahnt
Weidmann mahnte erneut, das Risiko einer zu hohen Inflation nicht zu unterschätzen. «Für die Inflationsrate überwiegen wie im Euroraum insgesamt die Aufwärtsrisiken», sagte der Bundesbankpräsident, der zum 31. Dezember vorzeitig sein Amt aufgibt. «Die Geldpolitik sollte diese Risiken nicht ignorieren und wachsam bleiben». Weidmann hatte wiederholt die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank kritisiert.
Für dieses Jahr rechnet die Bundesbank mit einer Inflationsrate von 3,2 Prozent gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex, den die EZB für ihre Geldpolitik im Euroraum zugrunde legt (Juni-Prognose: 2,6 Prozent). Im kommenden Jahr dürfte die Rate im Durchschnitt auf 3,6 Prozent steigen, obwohl dann Sondereffekte wie die Rücknahme der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung entfallen. Im Sommer war die Notenbank noch von einer deutlich geringeren Teuerungsrate für 2022 von 1,8 Prozent ausgegangen.
Hohe Rohstoffpreise
Die Bundesbank verwies auf den starken Anstieg der Rohstoffpreise für Energie auf den internationalen Märkten. Außerdem würden Unternehmen höhere Kosten aufgrund der Lieferengpässe an die Verbraucher weitergeben und bei starker Nachfrage die Gewinnmargen ausweiten.
Im Jahr 2023 sinkt die Inflationsrate nach Einschätzung der Notenbank wieder. Mit 2,2 Prozent bleibe sie aber auch in den Jahren 2023 und 2024 vergleichsweise hoch. Gründe dafür seien deutlich steigende Löhne, die gute Konjunkturlage, aber auch die Kosten, die der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft verursache.