Das große Lkw-Geschäft von Daimler ist schon seit gut einer Woche selbstständig. Die Trennung von der prestigeträchtigen Mercedes-Benz-Autosparte lief zu Monatsbeginn in aller Stille ab.
Eine Minimeldung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter – das reichte für die Stuttgarter aus. Beim Börsengang von Daimler Truck am Freitag in Frankfurt dürfte es lauter zugehen. Topverantwortliche werden sprechen, ein elektrifizierter Mercedes-Schwerlastwagen soll am Börsengebäude vorfahren.
Mercedes-Autos und -Lkw gehen erstmals getrennte Wege. Das Megaprojekt der Aufspaltung beendet die gemeinsame Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Der Dreizack-Stern als Markenzeichen bleibt aber beiden Herstellern erhalten. Der Imagefaktor ist nicht zu unterschätzen, denn die Marke Mercedes-Benz ist Experten zufolge teuer, sogar sehr teuer. Sie wird beispielsweise vom US-Beratungsunternehmen Interbrand mit knapp 51 Milliarden US-Dollar (rund 45,2 Milliarden Euro) bewertet. Das bedeutet weltweit Platz acht – unter den Autobauern schneidet nur der japanische Konkurrent Toyota besser ab.
Überwiegend positive Resonanz
Angesichts der großen Herausforderungen für die Automobilbranche mit Milliarden-Investitionen in E-Autos und selbststeuernde Fahrzeuge wird der Bruch bei Daimler überwiegend positiv beurteilt. Bisher seien «die Trucks immer so eine Art Anhängsel» gewesen, urteilte Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Das ändere sich jetzt. Auch Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht sieht Chancen, den tiefgreifenden Wandel in der Branche zu meistern und ist mit der Aufstellung zufrieden. Angesichts des Riesenschrittes gebe es in der Belegschaft jedoch «alle möglichen Gefühlslagen», resümierte der oberste Arbeitnehmervertreter.
Martin Daum als Vorstandschef von Daimler Truck gibt sich zuversichtlich – sein Unternehmen beschäftigt über 100.000 Menschen und ist aus eigener Sicht weltweit größter Hersteller von Lkw und Bussen. «Wir sind bereit für die Unabhängigkeit», lautet sein Motto. Es gebe nun eine klare Zielsetzung, sagte er der Deutschen Presse-Agentur: «Wir sind entschlossen, eine höhere Profitabilität zu erzielen und mit vollem Einsatz das Rennen hin zu Null-Emissionen zu gewinnen.» Kurzum: Der Hersteller solle noch stärker werden als bisher. Es geht in den nächsten Jahren ums Ganze: Um Klimavorgaben der EU zu erfüllen, muss die Automobilindustrie einen raschen Übergang vom Benzin- und Dieselauto zum Elektroauto schaffen.
Auf dem Weg zum exklusiven Club
Daums Hersteller soll als 41. Wert in den Börsenindex Dax aufgenommen werden – aber nur für einen Tag. Bei Abspaltungen von Dax-Konzernen ist es durchaus üblich, dass die betroffene Sparte zusätzlich in den Index kommt. In Schwaben ist man zuversichtlich, im Frühjahr dauerhaft die Aufnahme in den exklusiven Dax-Club zu schaffen.
Daimler-Aktionäre werden Teilhaber des neuen Unternehmens – sie bekommen für zwei Papiere je eine neue Aktie von Daimler Truck ins Depot. Zunächst wird Daimler auch einen Minderheitsanteil von 35 Prozent an Daimler Truck behalten.
Die Aufspaltung, die einem Sprecher zufolge an diesem Donnerstag im Handelsregister verankert wurde, ist auch mit Risiken verbunden. Die Hersteller könnten anfälliger für Übernahmeversuche werden, wie in der Branche zu hören war. Automobilkonzerne stehen zurzeit wegen des Mangels an Halbleitern und anderen elektronischen Bauteilen zusätzlich unter Druck.
Daimler ist in der Welt der Großunternehmen nicht alleine. Siemens brachte die Medizintechnik und die Energiesparte an die Börse. Der US-Industriegigant General Electric (GE) soll in drei Teile zerschlagen werden.
Auf Luxus ausgerichtet
In der verbleibenden Autosparte will Daimler-Chef Källenius Mercedes-Benz als Luxusmarke profilieren. Beim autonomen Fahren wollen die Stuttgarter ganz vorne mitspielen. Im kommenden Jahr sollen Luxuslimousinen der S-Klasse auf den Markt kommen, die es Fahrern beispielsweise bei Autobahnstaus ermöglichen, nicht mehr auf die Straße zu schauen, sondern einen Film anzusehen oder im Internet zu surfen.
Die strategische Ausrichtung wirkt auf manche auch wie eine Rückbesinnung auf alte Werte, die in Jahrzehnten der Visionen und teurer Expansionsprojekte in den Hintergrund gerückt waren.
Als Lichtgestalt gilt für den Experten Willi Diez der einstige Topmann Joachim Zahn, der Daimler in den 1960er und 1970er Jahren zu einer Weltfirma machte. Zahn habe Luxus gekonnt: «Er hat dort Begehrlichkeiten geschaffen, wo andere Unternehmen sich als billige Bedarfsdecker positioniert und profiliert haben», schreibt Diez in einem noch unveröffentlichten Buch über den Konzern mit dem Stern. Die Kehrseite der «goldenen Jahre» unter Zahn: Es gab damals Lieferzeiten von bis zu vier Jahren.