Zum Auftakt des Arbeitsjahres im Weinberg gehen viele Winzer mit neuer Perspektive an das Schneiden der Reben.
Im vergangenen Jahr hat sich die Pilzerkrankung Esca verstärkt ausgebreitet. Um sie einzudämmen, soll die Zahl der Schnittwunden am Rebstock möglichst begrenzt werden. «Sanfter Schnitt» heißt das neue Verfahren. «Das ist für viele in der Branche gerade ein großes Thema», sagt die rheinhessische Winzerin Hanneke Schönhals in Biebelnheim (Kreis Alzey-Worms).
Bei der Rebsorte Dornfelder waren etwa zehn Prozent der Rebstöcke von Esca befallen, sagt die Winzerin. Die befallenen Reben wurden bis zur Veredelungsstelle herausgeschnitten, also oberhalb der Unterlage mit den Wurzeln. Nun hofft die Winzerin, dass dann wieder Jungtriebe kommen. Die befallenen Reben wurden verbrannt, um die Pilzsporen zu vernichten.
«In allen deutschen Anbaugebieten hat Esca in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. «Die Pilze dringen in den Rebstamm ein und verstopfen die Leitungsbahnen» – also die zentralen Wege zur Versorgung der Pflanze mit Feuchtigkeit und Nährstoffen.
Je mehr die Rebe mit Schnittstellen gestresst wird, desto größer die Zahl der Einfallstore für die Pilzerkrankung. Die italienischen Experten Marco Simonit und Pierpaolo Sirch haben deswegen eine als «sanfter Rebschnitt» eingeführte Methode entwickelt. Dabei werden die Reben möglichst schonend, nicht zu früh und bei trockener Witterung geschnitten. Ziel ist es, die Schnittwunden möglichst klein zu halten und nicht ins alte Holz zu schneiden.
Auch bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz ist bekannt, «dass in den letzten Jahren das Problem Esca zunimmt». Neben der Dornfelder-Rebe sei auch Sauvignon Blanc besonders betroffen, sagt der Abteilungsleiter Weinbau, Markus Heil. Anders als bei Perenospora, dem Falschen Mehltau, spiele die Feuchtigkeit dabei nicht die dominierende Rolle. Beratung zum «sanften Schnitt» und anderen Maßnahmen bieten die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR).
«Das ist eine enorme Umgewöhnung», sagt Winzerin Hanneke Schönhals. «Wir sind dabei uns nach und nach da reinzudenken und uns zu fragen: Wie ist der Saftfluss und wie können wir größere Wunden vermeiden?» Dazu müsse auch der Mut gehören, den Rebstock größer werden zu lassen als bisher üblich.