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Cum-Ex-Architekt Berger kommt vor Gericht

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Apr 1, 2022 ,
Ein Rechtsanwalt des Hauptbeschuldigten Hanno Berger hält vor dem Prozessauftakt um «Cum-Ex»-Aktiendeals im Gerichtssaal eine Akte mit der Aufschrift «Dr. Berger» in der Hand. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Boris Roessler/dpa)

Im milliardenschweren Skandal um Cum-Ex-Aktiengeschäfte kommt die prominenteste Figur in Deutschland vor Gericht.

Hanno Berger, der als Architekt der Deals zu Lasten der Staatskasse gilt, soll sich nach seiner Auslieferung aus der Schweiz ab dem 4. April vor dem Landgericht Bonn verantworten. Acht Tage später, am 12. April, will das Landgericht Wiesbaden einen Prozess wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen den 71-Jährigen beginnen. Für Berger endet damit eine jahrelange Flucht vor der deutschen Justiz.

Berger, der einst als Finanzbeamter in Hessen Banken kontrollierte, wechselte später die Seite und machte sich als Steueranwalt im Dienst von Banken und Vermögenden selbstständig. Er wird als treibende Kraft hinter den Cum-Ex-Geschäften in Deutschland gesehen, bei denen zahlreiche Geldhäuser den Staat um geschätzt einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten. «Mr. Cum-Ex» beriet Banken und auch reiche Privatinvestoren bei der Konstruktion der Aktiendeals.

Bei «Cum-Ex»-Geschäften nutzten Banken und andere Finanzakteure eine damalige Gesetzeslücke. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit («cum») und ohne («ex») Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende des Verwirrspiels erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. Im Sommer 2021 stellte der Bundesgerichtshof dann klar, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu bewerten und damit strafbar sind.

Vorwurf der besonders schweren Steuerhinterziehung

Vor dem Bonner Landgericht wird Berger besonders schwere Steuerhinterziehung in drei Fällen von 2007 bis 2013 vorgeworfen. Der Angeklagte soll eine Privatbank zur Aufnahme von Cum-Ex-Geschäften bewogen und maßgeblich geholfen haben, die nötigen Strukturen einzurichten. Zudem soll er gutgläubige Investoren eingeworben haben. Dem Fiskus soll damit ein Schaden von 278 Millionen Euro entstanden sein, auch Berger habe davon profitiert.

Im Wiesbadener Prozess wirft die Generalanwaltschaft Frankfurt Berger vor, von 2006 bis 2008 falsche Bescheinigungen über gut 113 Millionen Euro nie gezahlter Steuern erlangt zu haben. Dabei seien mit weiteren Angeklagten Dax-Aktien im Volumen von 15,8 Milliarden Euro über ein komplexes System gehandelt worden. Die Prozesse gegen Berger dürften Monate dauern. Das Landgericht Wiesbaden etwa hat Verhandlungstermine bis Juli geplant.

Berger hatte sich im Herbst 2012 nach der Durchsuchung seiner Kanzlei in Frankfurt in die Schweiz abgesetzt – das Oberlandesgericht Frankfurt wertete das als Flucht. Von seinem Exil in einem Bergdorf wies Berger die Vorwürfe gegen ihn zurück und sah sich als Opfer eines Justizskandals. Als im März 2021 ein Cum-Ex-Prozess in Wiesbaden begann, blieb Berger fern. Er sei verhandlungsunfähig, sagten seine Anwälte mit Blick auf seine Gesundheit. Er habe «nichts Unrechtes» getan und werde vorverurteilt, sagte er später in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Capital.

Bis zuletzt wehrte sich Berger gegen seine Auslieferung nach Deutschland, die die Justiz in Hessen und Nordrhein-Westfalen beantragt hatte. Nach einer Festnahme im Kanton Graubünden saß er seit Mitte 2021 in Auslieferungshaft. Berger leistete Widerstand in allen juristischen Instanzen, doch letztlich bewilligte das Schweizer Bundesamt für Justiz die Auslieferung. Ende Februar übergab die Schweizer Polizei Berger in Konstanz Beamten des Bundeskriminalamts.

Es drohen bis zu zehn Jahre Haft

Berger ist nur einer, aber der wohl prominenteste von vielen Beteiligten im Cum-Ex-Skandal. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bezeichnete ihn als «Spiritus Rector» der Aktiendeals. Ihm droht nun eine lange Gefängnisstrafe. Für schwere Steuerhinterziehung können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat Cum-Ex-Geschäfte aber auch als gewerbsmäßigen Bandenbetrug gewertet.

Den Cum-Ex-Skandal arbeiten Gerichte und Staatsanwaltschaften schon seit Jahren auf. Während einige Beteiligte ins Ausland flohen, kamen andere vor Gericht. So verurteilte das Landgericht Bonn im März 2020 zwei britische Aktienhändler zu Bewährungsstrafen. Auch ein weiteres Bonner Verfahren mündete in eine Haftstrafe. Und im Februar verurteilte das Landgericht Bonn einen früheren Geschäftsführer einer Tochterfirma der Privatbank M.M. Warburg zu einer Freiheitsstrafe.

Während im Cum-Ex-Skandal gegen Berger und mehr als 1300 Beschuldigte ermittelt wird, bahnt sich möglicherweise ein noch größerer Skandal an. Der Cum-Ex-Betrug sei wohl nur die «Spitze des Eisbergs», sagte Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach (CDU) im Februar der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Dafür gebe es «starke Verdachtsmomente». Die Ermittler in Köln seien auf weitere Methoden mutmaßlichen Steuerbetrugs gestoßen, bestätigte das Ministerium.

Biesenbach machte in der Zeitung eine Kampfansage: «Wer glaubt, den Staat plündern zu können, muss damit rechnen, dass der Staat die Herausforderung annimmt. Wir wollen das Geld.»

Von Alexander Sturm, dpa