• Fr. Nov 22nd, 2024

Ausnahmen bei Öl-Embargo: Berlin signalisiert Zustimmung

In der Erdölraffinerie im brandenburgischen Schwedt kommt Rohöl aus Russland über die Pipeline «Freundschaft» an. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Patrick Pleul/dpa)

Gespräche zu geplanten EU-Sanktionen gegen Russland sind wegen einem Streit über Ausnahmen vom Öl-Embargo ins Stocken geraten.

Die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten berieten am Freitag in Brüssel über einen Kompromissvorschlag der EU-Kommission, der Ungarn, der Slowakei und Tschechien mehr Zeit einräumen würde, um den Lieferstopp vollständig umzusetzen. Mehreren Ländern gingen die Zugeständnisse nach Angaben von Diplomaten allerdings nichts weit genug. Bulgarien fordert ebenfalls eine Ausnahmeregelung. Die Gespräche werden laut den Diplomaten voraussichtlich am Wochenende fortgeführt.

Deutschland hatte Zustimmung für die Sonderregeln signalisiert. Eine Regierungssprecherin sagte, Kanzler Olaf Scholz habe betont, dass jede Art von Embargo Russland stärker treffen solle als Deutschland oder EU-Partner. In diesem Lichte seien Beratungen über Ausnahmen oder Verlängerungen zu sehen. Es gehe darum, dass diese Länder unterstützt würden, so rasch wie möglich mittelfristig von russischem Öl und Gas unabhängig zu werden. Die Sanktionen sind eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Sechstes Sanktionspaket gegen Russland

Die Kommission hatte den Mitgliedstaaten in dieser Woche ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland vorgeschlagen. Darin war vorgesehen, dass die Slowakei und Ungarn noch bis Ende 2023 russisches Öl kaufen dürfen, da sie von den Lieferungen besonders abhängig sind. Alle anderen Länder sollten die Öllieferungen in sechs Monaten stoppen und den Bezug von Ölprodukten wie Diesel und Kerosin in acht Monaten. Die geplanten Strafmaßnahmen sollen Russland weiter unter Druck setzen. Moskau verdient mit Ölverkäufen an die EU-Staaten Schätzungen zufolge täglich Hunderte Millionen Euro.

Aus mehreren Ländern kommt jedoch Kritik am Vorschlag der Kommission. Auch ein Kompromissvorschlag stieß auf starken Gegenwind. Dieser würde Ungarn und der Slowakei bis Ende 2024 Zeit geben, ihre Öl-Einkäufe aus Russland einzustellen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten erfuhr. Tschechien könnte demnach bis Juni 2024 Zeit bekommen. Für den Fall, dass der Ausbau neuer Lieferwege – etwa eine bessere Anbindung an die Transalpine Ölleitung – früher gelingt, könnte das Embargo für Prag früher gelten. Die Vorschläge können sich im Laufe der Verhandlungen noch ändern.

Von Diplomaten hieß es, dass Ungarn und andere Länder noch weitere Zugeständnisse forderten – mehr Zeit, aber auch finanzielle Unterstützung. Bulgarien droht laut einem Bericht des privaten Fernsehsenders Nova mit einem Veto gegen das Sanktionspaket, sollte es nicht auch eine Ausnahme bekommen.

Orbán übt scharfe Kritik

Einer der lautesten Kritiker ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. «Er kommt einer Atombombe gleich, die auf die ungarische Wirtschaft abgeworfen wird», sagte der rechtsnationale Politiker im staatlichen Rundfunk über den Vorschlag. «Für die Umstellung (auf Öl ohne russische Importe) brauchen wir nach unseren eigenen Berechnungen fünf Jahre. Ein Aufschub von einem oder anderthalb Jahren bringt nichts.»

Widerstand gibt es allerdings auch weiterhin von Ländern wie Zypern, Griechenland und Malta. Sie fürchten, dass ein ebenfalls vorgesehenes Transportverbot für russisches Öl ihre Reedereien einseitig benachteiligt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, es sei nicht einfach, Einigkeit herzustellen und das Embargo schnell umzusetzen. Die Mitgliedstaaten seien auf einen solchen Schritt unterschiedlich stark vorbereitet. «Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Paket auch auf den Weg bringen. Wenn es einen Tag länger dauert, dann dauert es eben einen Tag länger.»

Ungarn, Tschechien und die Slowakei sind stark von russischem Öl abhängig, das komplett über die Pipeline «Druschba» (Freundschaft) geliefert wird. Tschechien deckte 2021 nach Angaben der nationalen Statistikbehörde rund die Hälfte seines Ölverbrauchs aus russischen Quellen. In Ungarn kommen der Regierung zufolge 65 Prozent aus Russland. Für die Slowakei ist Russland nach Angaben der nationalen Betreibergesellschaft Transpetrol die einzige Ölquelle. Der EU-Kommission zufolge machen die Lieferungen an diese Länder nur einen sehr kleinen Anteil der gesamten EU-Importe russischen Öls aus.

Damit das Sanktionspaket umgesetzt werden kann, müssen alle Länder zustimmen. Ziel ist es den Diplomaten zufolge, das Sanktionspaket noch am Wochenende zu beschließen. Ob das gelingt, ist noch unklar.