Eine höhere Energieeffizienz und mehr Energiesparen sind nach Auffassung der deutschen Elektro- und Digitalindustrie mindestens ebenso wichtig wie der Ausbau des Ökostromnetzes.
Die Seite der klügeren Nutzung vorhandener Energie gerate gegenüber der Seite der klimaschonenderen Erzeugung oft etwas in den Hintergrund, sagte der Präsident des Branchenverbands ZVEI, Gunther Kegel, vor dem Beginn der Industrieschau Hannover Messe.
Dabei gelte es zu bedenken: «Der Anteil des Stroms, den wir bis 2045 so einsparen wollen, ist höher als der Anteil, den wir erneuerbar zubauen können. Diese Einsparungen dürfen aber nicht einhergehen mit einem Minus bei der Produktionsleistung.» Die Gesellschaft müsse die Energiewende so steuern, dass sich die Transformation bezahlen lasse.
Pullover anziehen reicht nicht
Bei der Hannover Messe, die am Sonntagabend eröffnet wird, geht es vor allem um Technologien für eine «intelligente», energieeffiziente Produktion und damit auch direkte oder indirekte CO2-Reduktion. Kegel betonte, dass sich durch besseres Haushalten mit verfügbarer Energie viel erzielen lasse. Aber: «Es ist nicht damit getan zu sagen: Leute, zieht euch einen Pullover an! Heizenergie ist in vielen gewerblichen Immobilien nicht der entscheidende Teil. Entscheidend sind die Produktionsprozesse als solche, für die wir fossile Stoffe bisher sowohl als Energielieferant als auch als Bestandteile der Produktion brauchen, zum Beispiel in der Chemie oder Stahlindustrie.»
Die geplante Elektrifizierung vieler Fertigungsschritte anstatt der Nutzung von Kohle oder Gas und die Verwendung von Wasserstoff könnten «zu einer viel höheren Effizienz» mit deutlich besserem Wirkungsgrad führen. «Sie bekommen so beispielsweise in der Solarkraft den Strom direkt – und haben keine größeren Wandlungsverluste wie etwa in einem fossilen Kraftwerk. Auch für das Gros des Pkw-Markts ist eigentlich schon entschieden: Antriebe müssen in Zukunft in erster Linie batterieelektrisch sein. CO2-Reduktion und höhere Energieeffizienz sind also zwei Themen, die unmittelbar zusammenhängen.»
«Industrie 4.0»
Bei den Konzepten für eine «Industrie 4.0» sei das Bild in Deutschland noch gemischt, sagte Kegel. «Es gibt viele Unternehmen, die sich komplett digitalisieren wollen, inklusive Fabrikhallen und Anlagen. In manchen Betrieben sind die Schnittstellen aber noch überwiegend analog. Es geht also darum, die Technik Stück für Stück einzugliedern in digitale Netzwerke.» Auf diesem Weg könne der Einsatz von Energie, Rohstoffen und Vorprodukten optimiert werden.
Dass die Bundesrepublik bei der Digitalisierung ihrer Industrie hinterherhinke, sieht Kegel nicht. «Es wird sicher einige Betriebe geben, die sich mit ihren bestehenden Fabrikhallen und Maschinenparks nicht voll werden digitalisieren können», meinte er auch im Hinblick auf die nötige Weiterqualifikation und den Wandel der Arbeitswelt.
«Alte Anlagen komplett umzubauen, rechnet sich häufig nicht. Aber wir haben gleichzeitig viele Kunden, die bei Neubauten ein dramatisch schnelles Digitalisierungsprogramm fahren.» Andererseits gebe es mehr Cyberangriffe auf die Produktion. «Da müssen neue Sicherheitskonzepte her, bevor wir weiter und stärker digitalisieren.»