Die Top-Etage großer deutscher Familienunternehmen ist einer Studie zufolge nach wie vor eine Männerdomäne, Frauen kommen kaum voran.
Nach Angaben der gemeinnützigen Allbright Stiftung saßen Anfang März in den Geschäftsführungen der 100 umsatzstärksten Familienunternehmen 8,3 Prozent weibliche Führungskräfte. Der Frauenanteil ist damit nur gut halb so hoch wie bei den 160 Firmen der Dax-Familie (14,3 Prozent) und er verändert sich kaum, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Studie hervorgeht. Vor zwei Jahren lag der Wert bei rund 7 Prozent. Der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnte, es gehe «um wollen und nicht um können.»
Mehr als zwei Drittel (68) der Familienunternehmen haben den Angaben zufolge keine einzige Managerin in der Geschäftsführung. Besonders wenig tut sich demnach bei den 70 Firmen, die vollständig in Familienhand sind. Hier liegt der Frauenanteil in der Top-Etage seit März 2020 unverändert bei 4,8 Prozent.
Zum Vergleich: Bei den 40 großen Dax-Unternehmen sind es 19,8 Prozent (Stand: 1. März 2022). Die Börsenschwergewichte stünden am stärksten im öffentlichen Fokus und unterlägen strengen Transparenzpflichten, hieß es in der Studie. «Die öffentliche Erwartungshaltung wirkt.»
Das zeigt sich auch beim Blick auf die 19 Familienunternehmen, die an der Frankfurter Börse notiert sind, zu denen unter anderem BMW und Henkel zählen. Der Frauenanteil in den Geschäftsführungen dieser Firmen ist mit 16,4 Prozent deutlich höher als beim Durchschnitt der Familienunternehmen.
Vakante Top-Posten fast nur für Männer
Entscheidend für die unterschiedliche Entwicklung ist der Allbright Stiftung zufolge die Nachbesetzung freiwerdender Top-Posten. Während die Börsenunternehmen systematisch Frauen rekrutierten, wählten Familienunternehmen weiter fast ausschließlich Männer aus. Bei den 40 Dax-Konzernen waren demnach 38 Prozent der Neurekrutierungen seit 1. März 2020 weiblich, bei den 70 Unternehmen in vollständigem Familienbesitz waren es nur 6 Prozent. Fast 90 Prozent der neu berufenen Geschäftsführungsmitglieder in Familienunternehmen seien westdeutsche Männer.
«Die Familienunternehmen riskieren, in der Konkurrenz um die besten Köpfe zu Arbeitgebern zweiter Wahl zu werden», mahnten die Geschäftsführer der Allbright Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg. «Diversität zieht Top-Talente an, ein veraltetes Führungsverständnis tut es nicht.»
Diversität nicht als «Zeitgeistthema unterschätzen»
Es sei eine Stärke der Familienunternehmen, dass sie in Generationen dächten und nicht in Quartalen. «Gerade deshalb sollten sie Diversität und Chancengleichheit nicht als Zeitgeistthema unterschätzen.» Es gehe vielmehr um eine der großen, dauerhaften gesellschaftlichen Veränderungen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schrieb in einem Schlusswort zu der Studie: «Eine erfolgreiche Transformation ist ohne Diversität, ohne die gleichberechtigte Einbindung von Frauen in die Wirtschaft nicht denkbar.» Mehr Vielfalt in den Unternehmen führe zu mehr Kreativität, mehr Lösungskompetenz und mehr Innovationen, das belegten zahlreiche Studien der vergangenen Jahre.
Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, sagte: «Die Zahlen belegen eindeutig: Es geht um wollen und nicht um können.» Ein erfolgreicher Umbau der deutschen Wirtschaft werde nur gelingen, wenn neben Klimaschutz auch Geschlechtergerechtigkeit als Transformationsziel definiert werde.
Die gemeinnützige deutsch-schwedische Allbright Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein.