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Was Sie über das 9-Euro-Monatsticket wissen müssen

In Stuttgart und Freiburg kann man seit einigen Tagen schon 9-Euro-Tickets kaufen - Tausende Kunden haben bereits zugegriffen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marijan Murat/dpa)

So billig war Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland wohl noch nie: Mit speziellen 9-Euro-Monatstickets sollen Millionen Menschen im Juni, Juli und August überall in der Republik in Bus und Bahn steigen können.

Durch die Sonderaktion will die Ampel-Koalition auch Nicht-Autofahrer von den hohen Energiekosten entlasten. Zugleich geht es um einen generellen Anreiz, stärker den Nahverkehr zu nutzen, wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte. Für die Verkehrsbetriebe wird es eine Großoperation, den erwarteten Andrang so zu bewältigen, dass die Charme-Offensive nicht zu Frust führt. Der Bundestag will am Donnerstagabend die Finanzierung beschließen.

Ab wann soll das 9-Euro-Ticket gelten?

Das Ticket sollen ab dem 1. Juni gelten – und dann jeweils im Juni, Juli und August für den Kalendermonat. Nicht möglich sind also gleitende Vier-Wochen-Zeiträume, etwa von Mitte Juli bis Mitte August. Der Preis von 9 Euro gilt pro Monat.

Fahren können die Inhaber damit bundesweit in allen Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalverkehrs – egal ob von der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern. Nicht genutzt werden kann der Fernverkehr mit ICE, Intercity und Eurocity, den grünen Flixzügen und Fernbussen. Außerdem gilt das Ticket nur für die 2. Klasse.

Wo gibt es das Ticket zu kaufen?

Damit es losgehen kann, muss noch das Finanzierungsgesetz beschlossen werden: an diesem Donnerstag vom Bundestag und dann abschließend am Freitag im Bundesrat. Der Bund will den Ländern unter anderem 2,5 Milliarden Euro als Ausgleich für Einnahmeausfälle wegen des Tickets überweisen.

Sind die politischen Weichen gestellt, soll es schnell gehen. Die Bahn und viele Verkehrsverbünde haben den Verkaufsstart schon für Montag angekündigt. Zu haben sein soll das Ticket ganz normal an Automaten, Ticketschaltern oder online bei den Verkehrsunternehmen. Die Branche plant auch eine gemeinsame Internet-Verkaufsplattform.

Nicht alle warten darauf. In Stuttgart und Freiburg kann man seit einigen Tagen schon 9-Euro-Tickets kaufen – Tausende Kunden haben bereits zugegriffen.

Wie sind die Konditionen?

Das Ticket kostet pauschal 9 Euro für beliebig viele Fahrten im Kalendermonat. Zu haben sein sollen auch Tickets für alle drei Monate auf einen Schlag, wie es bei der Deutschen Bahn heißt. Einen Bahncard-Rabatt auf die 9 Euro gibt es nicht.

Wer schon ein Monats- oder Jahresabo hat, soll in den drei Monaten nur mit 9 Euro belastet werden. Die Abonnenten bekommen Nachricht von ihrem Anbieter oder dem Verkehrsverbund, wie die Verrechnung konkret aussieht: über eine Reduzierung des Bankeinzugs oder per Erstattung der Differenz. Derartige Regeln sollen auch bei Semester- oder Jobtickets gelten.

Kann man sein Fahrrad kostenlos mitnehmen?

Wenn ein bestehendes Abo das so vorsieht: ja – allerdings nur im jeweiligen Abo-Geltungsbereich, wie das Bundesverkehrsministerium erläutert. Generell muss sonst ein Fahrradticket dazu gebucht werden. Die Bahn schickte schon vorsichtshalber als Warnung voraus, dass die Fahrrad-Mitnahme wegen absehbar voller Züge nicht garantiert sei. An Feiertagen sollte man lieber darauf verzichten.

Kann man Plätze reservieren?

Nein. Reservierungsmöglichkeiten gibt es in der Regel nur im Fernverkehr. Das 9-Euro-Ticket gilt aber im Nahverkehr.

Drohen überfüllte Busse und Bahnen?

Ein Nischenangebot ist der ÖPNV schon bisher nicht. Allein bei der bundeseigenen Bahn fuhren im vergangenen Jahr pro Tag mehr als drei Millionen Fahrgäste in knapp 22.000 Regionalzügen. Morgens und abends im Berufsverkehr herrscht in Ballungsräumen ziemliches Gedränge auf vielen Linien – an Sommerwochenenden sind Regionalbahnen ins Grüne generell gefüllt. Die Billigtickets fallen nun in die Ferienzeit, in der Schulkinder, Pendlerinnen und Pendler zeitweise gar nicht fahren. Manche könnten das Ticket aber für Ausflüge und Urlaubsreisen nutzen.

Wie groß wird der Andrang?

Genau weiß das niemand. Zu rechnen sei wohl mit ungefähr 30 Millionen Nutzern des 9-Euro-Tickets pro Monat, erläuterte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Dies sei aber nur eine Schätzung. Politik und die Branche setzen darauf, dass die spektakuläre Aktion jetzt viele dazu bringt, sich überhaupt einmal richtig damit zu befassen, wann und wie Busse und Bahnen im Umkreis eigentlich fahren.

Ungewiss ist auch, wie sich eine gleichzeitige finanzielle Entlastung an den Tankstellen auf die Umsteigelust unter Autofahrern auswirkt. Denn ebenfalls vom 1. Juni bis 31. August soll nach Plänen der Koalition die Energiesteuer auf das nach EU-Recht vorgegebene Mindestmaß heruntergesetzt werden. Der Steuersatz für Benzin soll so um fast 30 Cent sinken, für Diesel um 14 Cent.

Fahren denn ab 1. Juni auch mehr oder längere Züge?

Die Branche will alles auf Schiene und Straße bringen, was rollt. Auf einen Schlag und für begrenzte drei Monate in großem Stil Extra-Fahrzeuge zu ordern und Fahrpersonal dazu, geht aber nicht. Aktiviert werden sollen Reserven, «die aber nicht in einer nennenswerten Größenordnung» vorhanden sind, erläuterte der Verband der Verkehrsunternehmen. Die Bahn macht nach Betriebsratsangaben wohl 40 bis 50 zusätzliche Doppelstockwagen betriebsbereit, viel mehr sei nicht drin. Mehr Aufwand dürfte zum Beispiel auch bei Reinigung und Service entstehen.

Warum ist das Ticket nicht gleich kostenlos?

Diesen Vorschlag hatte es aus den Ländern tatsächlich gegeben. Einfach auf Tickets zu verzichten – und damit auch auf Kontrollen – hätte den Aufwand deutlich gesenkt, lautete eine Argumentation. Ein Grund, dass nun ein kleiner Geldbetrag verlangt wird, ist aber auch der Blick über das Ende der Aktion hinaus. Bei zahlenden Kunden lässt sich die Nutzung besser analysieren. Geplant sind Befragungen. Wer nutzt auf welchen Strecken Busse und Bahnen, wenn es deutlich günstiger ist? Das ist für die Verkehrsbetriebe und die Politik eine spannende Frage – auch wenn es ja kaum bei 9 Euro pro Monat bleiben dürfte.

Von Sascha Meyer, Burkhard Fraune und Matthias Arnold, dpa