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Buddeln im Dreck und Heizung – Die Zukunft des Mastschweins

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Jul 19, 2022
Aufzuchtferkel in einem Stall am Staatsgut Schwarzenau in Schwarzach am Main. Hier untersuchen Wissenschaftler im Auftrag des bayerischen Landwirtschaftsministeriums, wie der Stall der Zukunft aussehen könnte. (Urheber/Quelle/Verbreiter: ---/Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft/dpa)

Mehr Fläche, Einstreu und jede Menge Auslauf: Das Leben von Deutschlands Schweinen soll sich nicht nur nach dem Willen von Tierschützern und Verbrauchern deutlich verbessern. Doch was braucht das Mastschwein, um sich gesund zu entwickeln? Was macht es glücklich, wo fühlt es sich wohl? Und schmeckt man das schlussendlich auch?

Am Staatsgut Schwarzenau im unterfränkischen Schwarzach am Main untersuchen Wissenschaftler im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums, wie der Stall der Zukunft aussehen könnte – und sie fangen dort mit den Ferkeln an.

In drei verschiedenen Stallungen schauen sich die Forscher an, wie sich die Aufzuchtferkel entwickeln. «Unterschiedliche Klimazonen, doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben, mit Stroh eingestreute Liegeflächen», erklärt Projektleiterin Christina Jais von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Bestimmte Areale seien beheizbar, teils abgedeckt. Draußen gebe es Flächen zum Fressen, Buddeln, Spielen und zum Absetzen von Harn und Kot.

Es geht auch um viel Geld

Da es beim Thema Tierwohl auch um viel Geld geht, wird zugleich untersucht: «Wie viel mehr Arbeit verursachen die Stallungen und wie viel Stroh wird eingesetzt? Und funktioniert die innovative Stalltechnik zuverlässig», sagt Jais und verweist etwa auf die temperaturgesteuerten Jalousien. «Ganz entscheidend sind die Fragen: Wie viel Arbeit muss ich in den Stall investieren? Wie viel kostet der Stallplatz?»

Auch wenn erst in zwei Jahren der vollständige Versuchsbericht vorliegen wird, sind die Forscher jetzt schon optimistisch: Die Ferkel in Schwarzach scheinen sich wohl zu fühlen. Das zeigt nicht nur der Ringelschwanz der Tiere.

«Ein Schwein ist extrem neugierig und bewegungsaktiv. Es verbringt normalerweise sechs bis acht Stunden mit Wühlen und der Suche nach Nahrung», erklärt der Agrar-Ökonom der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Martin Hofstetter. «Das kann es alles im Stall nicht machen.» Realität für Mastschweine sei oft: viele Artgenossen auf engem Raum, kaum Bewegungsfreiheit, eher dunkel, wenig Frischluft, hohe Konzentration an Ammoniak-Gasen, Beton-Gitter unter den Füßen, damit der Kot durchfällt.

Ein Mensch würde platzen

Hinzu kommt das Mästen. «Die fressen in der Zeit vor der Schlachtung etwa zweieinhalb Kilogramm am Tag und nehmen dabei ein Kilogramm zu. Wenn wir das machen würden, würden wir als Menschen nach einem Jahr platzen», sagt der gelernte Landwirt. Die Organe und Knochen wüchsen so viel langsamer als der Schinken und Lende, Herzprobleme und Entzündungen der Gelenke seien die häufige Folge. Nicht selten landeten die halbjährigen und mehr als 100 Kilogramm schweren Schweine dann krank beim Schlachter.

Landwirte, die von der Massentierhaltung und Turbo-Schweinen weg möchten, brauchen dafür Geld – und den Verbraucher. Denn der muss auch bereit sein, mehr für Schnitzel, Bratwurst und Hack zu bezahlen. «Die große Herausforderung ist die Weiterentwicklung der Tierhaltung», sagt Tierhaltungsexperte Gerhard Stadler vom Bayerischen Bauernverband. «Am Ende muss das Ganze irgendwo auch umsetzbar sein, die zusätzlichen Kosten müssen bezahlt werden.»

Die derzeit enormen Preise für Baumaterial verschärften die Lage. «Und wir brauchen dann eine gewisse Absicherung, wenn jemand eine Investition macht, dass er zumindest die nächsten 20 Jahre mit dem Stallsystem, für das er sich entschieden hat, auch produzieren kann.»

«Tierwohlabgabe» im Gespräch

Damit Landwirte nicht auf Investitionen in Stallumbauten und höheren laufenden Kosten alleine sitzen bleiben, wird derzeit in Berlin über einen höheren Mehrwertsteuersatz für Fleisch oder eine «Tierwohlabgabe» auf tierische Produkte nachgedacht. Denkbar wäre etwa ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. In der Koalition knirschte es aber zuletzt. Die FDP machte klar, dass sie angesichts der Inflation Preisaufschläge für Verbraucher ablehnt.

Seit Mai 2020 haben nach Zahlen des Statistischen Bundesamts 12,5 Prozent der deutschen Schweinehalter aufgegeben – die Zahl der Betriebe schrumpfte von 20.400 auf 17.900. Im Mai dieses Jahres wurden noch 22,3 Millionen Schweine in Deutschland gehalten, das waren über 8 Millionen Tiere weniger als 1990 und damit der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung.

Die Bauern beklagen seit langem, dass die Fleischpreise die Kosten kaum oder gar nicht mehr decken. Die Corona-Pandemie hatte die Erzeugerpreise für Schweinefleisch noch weiter in den Keller sinken lassen, da die Gastronomie über Monate geschlossen hatte und es keine Volksfeste gab. Dann die Afrikanische Schweinepest, die den Export behindert. Hinzu kommen der Krieg in der Ukraine und die enormen Preissprünge. Die hohe Inflation verdirbt vielen Menschen aktuell die Lust an Wurst, Koteletts und Steaks.

So ist die Lage der Mastschweine derzeit nicht gerade das Topthema beim Verbraucher, weiß auch Greenpeace-Agrarexperte Hofstetter. «Die Leute kaufen im Moment eher wieder billig.» Der Landwirt sollte seiner Ansicht nach aber weniger auf das Heute und mehr auf das Morgen schauen. «Was wird denn eigentlich noch gebraucht in zehn Jahren?» Das Bewusstsein der Konsumenten ändere sich stetig hin – weg von tierischem Fett, und wenn dann weniger und schmackhafter. Bessere Fleischqualität brauche aber Zeit. «Ein richtiges Schwein sollte Geburtstag gehabt haben.»

Von Angelika Resenhoeft, dpa