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Kurswechsel? Fed deutet niedrigere Zinserhöhungen an

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Nov 3, 2022
Jerome Powell, Vorsitzender der Federal Reserve, bei einer Pressekonferenz in Washington. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Patrick Semansky/AP/dpa)

Die Fed setzt mit einer weiteren überdurchschnittlichen Zinserhöhung ihren aggressiven Kampf gegen die Inflation fort – stellt aber ein langsameres Tempo in Aussicht. Die Notenbank der größten Volkswirtschaft der Welt hob den Leitzins gestern zum vierten Mal in Folge um 0,75 Punkte an.

«Es wird angemessen sein, das Tempo der Erhöhungen zu verlangsamen», kündigte Fed-Chef Jerome Powell an. Doch von einer Abkehr der strikten Geldpolitik der US-Notenbank zu sprechen, dürfte zu voreilig sein.

Nächste Sitzung im Dezember – kleinerer Zinsschritt möglich

Es war die vorletzte Sitzung der Fed in diesem Jahr – im Dezember werden die Zentralbanker noch einmal zusammenkommen. Powell ließ keinen Zweifel daran, dass die Zinsen stärker steigen werden, als die Fed zuvor erwartet hatte.

Es sei «verfrüht», eine Pause bei den Erhöhungen einzulegen. «Wir gehen weiterhin davon aus, dass kontinuierliche Erhöhungen angemessen sein werden», sagte er. Ein kleinerer Zinsschritt sei zwar bereits im Dezember möglich – darauf festlegen wollte sich der Fed-Chef aber nicht.

Starker Dollar hat Vor- und Nachteile für Deutschland

Mit ihrer strikten Geldpolitik stärkt die Fed den US-Dollar. Die hohen Zinsen machen den US-Markt für Anleger attraktiver. Der US-Dollar gewann im Vergleich zum Euro in den vergangenen Monaten deutlich an Stärke. Nach der jüngsten Fed-Entscheidung stieg der Euro zunächst an. Nachdem Powell jedoch klargemacht hatte, dass noch kein Ende der Zinserhöhungen in Sicht sei, fiel er wieder.

Ein schwacher Euro macht Reisen in die USA für Touristen aus dem Euroraum deutlich teurer. Auch in Dollar abgerechnete Importe aus den USA kosten mehr. Für Deutschland als Exportnation hat ein schwacher Euro aber auch Vorteile, denn Exporte in die USA werden günstiger.

Schuldenkrise in einkommensschwachen Länder befürchtet

Die US-Zinspolitik kann in einkommensschwachen Ländern eine ernsthafte Wirtschaftskrise auslösen. Die straffe Geldpolitik bekommen vor allem die Länder zu spüren, die sich während der Pandemie hoch verschuldet haben und ihre Kredite in US-Dollar aufgenommen haben – selbst aber keine Dollars verdienen.

Die höheren Zinsen verteuern diese Kredite. Auch Importe werden teurer. All das könnte schwerwiegende Folgen für diese Länder haben – aber auch weltweit. «Eine sich ausweitende Schuldenkrise in diesen Volkswirtschaften würde das globale Wachstum stark belasten und könnte eine weltweite Rezession auslösen», warnte zuletzt auch der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner Konjunkturprognose.

Fed legt vor – andere Zentralbanken legen nach

Die Fed hat mit ihren ungewöhnlich großen Zinsschritten ein rasantes Tempo vorgelegt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte nach langem Zögern im Juli die Wende hin zu höheren Zinsen eingeleitet. Sie versucht nun mit kräftigen Zinserhöhungen die Teuerung in den Griff zu bekommen und hat den Leitzins zuletzt um 0,75 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent angehoben.

Auch andere Zentralbanken drehen an der Zinsschraube. Es wird etwa erwartet, dass die britische Zentralbank den Leitzins am Donnerstag um 0,75 Punkte auf 3 Prozent anhebt.

Inflation bleibt hartnäckig hoch

Es kann durchaus dauern, bis die Zinspolitik der Zentralbanken Früchte trägt und Erfolge im Kampf gegen die Inflation deutlich werden. Im Oktober erreichte die Inflationsrate in der Eurozone einen Rekordwert von 10,7 Prozent. Auch die Verbraucherpreise in den USA sind weiterhin hartnäckig hoch.

Jüngsten Daten zufolge ist die Teuerungsrate im September nur leicht zurückgegangen. Gegenüber dem Vorjahresmonat stiegen die Verbraucherpreise im September um 8,2 Prozent. Im August hatte die Inflationsrate 8,3 Prozent betragen. «Wir haben ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage», betonte Fed-Chef Powell.

US-Wirtschaft könnte in Rezession schlittern

Die große Frage ist, ob die Fed und andere Zentralbanken es übertreiben. Das Risiko, dass die Fed die US-Wirtschaft so stark ausbremst, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden, wächst. Ein sogenanntes «soft landing», also ein Herauskommen aus der Lage ohne größere Verwerfungen, wird immer schwieriger, gestand auch Fed-Chef Powell ein.

Dennoch verteidigte er die strikte Geldpolitik gegen Kritik: «Ich bin froh, dass wir uns so schnell bewegt haben, und ich glaube nicht, dass wir zu stark angezogen haben.»

Starker Arbeitsmarkt als Argument gegen Wirtschaftsabschwung

Anders als in Europa treiben in den USA auch steigende Löhne die Teuerung an. Läuft der Arbeitsmarkt heiß, steigt der Druck auf die Fed, die Zinsen weiter anzuheben. Viele US-Unternehmen klagen über einen Mangel an Arbeitskräften.

«Die Arbeitsplatzverluste könnten geringer ausfallen (…), weil die Zahl der offenen Stellen so hoch ist und der Arbeitsmarkt so stark ist», betonte Powell nun mit Blick auf die Frage nach einem befürchtetem Wirtschaftsabschwung. Er machte außerdem deutlich, dass er bisher noch keine Lohn-Preis-Spirale sehe.

Demokraten müssen zittern bei den Midterms

Für US-Präsident Joe Biden und seine Demokraten sind die hohe Inflation ebenso ein Problem wie die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung. Die hohen Preise werden dem US-Präsidenten und seiner Partei angelastet.

Bei den Zwischenwahlen in der kommenden Woche droht den Demokraten der Verlust ihrer ohnehin schon knappen Mehrheit im US-Kongress. Umfragen zeigen, dass die Inflation und die wirtschaftliche Lage den Menschen im Land am meisten Sorge bereiten.

Von Julia Naue, dpa