Nachdem die Baubranche in den vergangenen Jahren im Höchsttempo unterwegs war und sich auch nicht von der Corona-Krise ausbremsen ließ, stottert der Motor inzwischen kräftig. Steigende Zinsen und hohe Baukosten machen dem Gewerbe zu schaffen. Insbesondere im Wohnungsbau springen Auftraggeber und Investoren ab.
Der ohnehin schleppende Neu- und Ausbau gerät weiter ins Stocken, für Wohnungssuchende bleibt die Lage vielerorts angespannt. «Wenn das Bauhandwerk leidet, leiden auch die Menschen», sagte am Dienstag der Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), Reinhard Quast.
Der Verband geht für dieses Jahr von einem Branchenumsatz in Höhe von rund 158 Milliarden Euro aus. Die Preissteigerungen mit einberechnet wäre das ein Umsatzrückgang von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das kommende Jahr prognostiziert der ZDB einen preisbereinigten Rückgang von 7,2 Prozent. «Das ist gewaltig», sagte Quast. Gleichwohl sprach er mit Blick auf die Branchenkonjunktur lediglich von einer Delle.
Die Auftragslage trübt sich ein
Die schwache Prognose spiegelt sich laut ZDB auch in der Stimmung bei den Unternehmen wider. Zwar bewerte ein Großteil der Betriebe die derzeitige Geschäftslage einer Verbandsumfrage zufolge weiterhin als gut oder zumindest als befriedigend. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen gehe aber von einer Verschlechterung der Situation in den nächsten sechs Monaten aus. «Das sind 15 Prozentpunkte mehr als in der Frühjahrsumfrage», teilte der ZDB mit.
Insbesondere die bisher gute Auftragslage trübt sich ein. Während der Bund viele Milliarden in die Infrastruktur investieren will, fehlt laut Quast vor allem in den Kommunen oft das Geld für öffentliche Bauaufträge. Im Wohnungsbau sprängen Investoren ab, weil sich die Projekte angesichts der hohen Baukosten und steigender Zinsen nicht mehr rechneten.
Das gelte auch für private Bauherrinnen und Bauherren. «Wir sehen eben auch besonders viele Stornierungen», sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. «Üblicherweise haben wir bei den Stornierungen eine Quote von so ein, zwei Prozent.» Aktuell liege sie im zweistelligen Prozentbereich. Viele könnten bereits vertraglich vereinbarte Projekte auch aufgrund der steigenden Kreditzinsen nicht mehr finanzieren und kündigten.
Hohe Zinsen sollten eigentlich zu sinkenden Immobilienpreisen führen. Doch dieser Effekt werde durch die steigenden Baupreise weitgehend kompensiert, betonte Quast. Zwischen Januar und August dieses Jahres haben sich laut ZDB die Preise für Wohnungsbauleistungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 16 Prozent erhöht.
Auch der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) dämpfte mit Blick auf die Preise für Wohnimmobilien die Stimmung. Diese dürften zwar absehbar weiter sinken, teilte vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt am Montagabend in Frankfurt mit. Ein Einbruch der Preise sei aber nicht zu erwarten, denn der Bedarf an Wohnraum bleibe hoch, und der deutsche Immobilienmarkt sei auch in früheren Wirtschaftskrisen robust geblieben.
Kritik an der Regierung
Tolckmitt verwies auf die hohen Bewertungen nach einem mehr als zwölfjährigen Immobilienboom in Deutschland. Selbst ein kräftiger Rückgang der Preise um rund 20 Prozent, den einige in der Branche für möglich hielten, würde nur das Niveau von 2020 bedeuten.
Das Ziel der Bundesregierung, jährlich mindestens 400.000 neue Wohnungen zu bauen, um den Notstand zu beheben, rückt aus Sicht des ZDB in immer weitere Ferne. Für 2022 geht der Verband davon aus, dass rund 280.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. «Wir hatten vor anderthalb Jahren mal vermutet, es gibt noch 320.000». sagte Quast. Für das kommende Jahr rechnet der ZDB mit 245.000 Fertigstellungen, was einen Rückgang von 12,5 Prozent bedeuten würde.
Die Bundesregierung will Fördermittel stärker auf die Sanierung und die Energieeffizienz von Gebäuden ausrichten. Gleichzeitig würden die Mittel für den Neubau aber stark zusammengestrichen, kritisierten die ZDB-Fachleute. Die Vorgaben für energetische Standards insbesondere beim sozialen Wohnungsbau seien zudem zu hoch.