Die Haltung des höchsten deutschen Strafgerichts zur Bezahlung von Betriebsräten schreckt bisher nur wenige Großunternehmen merklich auf – hinter den Kulissen stellen sich Fachjuristen aber schon auf einiges an zusätzlicher Arbeit ein. Anlass ist ein umstrittenes Revisionsurteil, dessen Begründung der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich vorlegte. In dem konkreten Fall war es um die Frage gegangen, ob Ex-Personalmanager von VW über Jahre überzogene Gehälter an hohe Belegschaftsvertreter abgesegnet hatten.
Anders als ihre Kollegen von Braunschweiger Landgericht hielten die obersten Richter es für nicht ausgeschlossen, dass die vier früheren Entscheider bei Volkswagen sich der vorsätzlichen Untreue schuldig gemacht haben könnten. Das Kernargument dieser Einschätzung: Auch für leitende Betriebsräte dürfe als Vergütungsmaßstab nur dasjenige Niveau herangezogen werden, auf dem Beschäftigte mit vergleichbaren Aufgaben stünden – und zwar zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit.
«Wir werden die Urteilsbegründung zur BGH-Entscheidung sorgfältig prüfen und auf ihre Relevanz für die Betriebsratsvergütung im Konzern bewerten», hieß es etwa beim Energieversorger Eon. Verwirrung unter manchen Beobachtern hatte vor allem die Interpretation des BGH ausgelöst, Personalchefs dürften bei der Gehaltseinstufung selbst höherer Betriebsräte keine «hypothetischen» Annahmen über die sonst mögliche Karriereentwicklung der betreffenden Person zugrundelegen.
Was sagen große Firmen zu dem Urteil?
Eon stellte für sich klar: «Betriebsräte werden nach den gesetzlichen Vorgaben und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung vergütet.» Für sie gebe es außerdem keine speziellen Vorteile oder Vergünstigungen, «insbesondere kein Dienstwagen-Privileg». Volkswagen fürchtet, das Strafurteil – mit seiner von Arbeitsgerichten abweichenden Auslegung – könnte zu großer Unsicherheit führen. Denkbar seien «weitreichende Auswirkungen auf die betriebliche Mitbestimmung in der Bundesrepublik und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland».
Konkurrent Mercedes-Benz verwies vorerst auf anhaltende Prüfungen: «Wir analysieren die schriftliche Urteilsbegründung nun im Detail.» Dabei müsse man sowohl die aktuelle BGH-Rechtsprechung als auch den arbeitsrechtlichen Rahmen berücksichtigen und für den Einzelfall bewerten, erklärten die Stuttgarter. «Dieser Prozess dauert an.»
Was ist die Sorge?
In einigen Firmen herrscht die Sorge, nach bisher anderen Maßstäben getroffene Entscheidungen zur Betriebsräte-Bezahlung könnten jetzt im Nachhinein für illegal erklärt und strafrechtlich geahndet werden. Zu hören ist aber ebenso, die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes seien veraltet und böten im Gegenzug oft keine klaren Leitplanken. Auch Gewerkschafter im DGB und bei der IG Metall kritisieren dies.
Thyssenkrupp betonte, seit 2014 greife eine Richtlinie zur Vergütung von Betriebsräten, «die die gesetzeskonforme Anwendung der Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes sowie der aktuellen Rechtsprechung sicherstellt». Das werde jährlich von Personalabteilungen bestätigt. Grundlage der Bezahlung sei der «ursprüngliche Tätigkeitsrahmen des jeweiligen Mitarbeitenden». Eine Anpassung sei etwa möglich, wenn die Person aktive Weiterbildung und erlernte Zusatzqualifikationen vorweise – «sofern es betrieblich geregelt oder üblich ist, dass diese Qualifikationen bei der Mehrheit der Mitarbeitenden zu einem höheren Entgelt führen». Der BGH bestätige damit die eigene Regelung.
Beim bayerischen Autobauer BMW gab man sich auf Anfrage betont gelassen. «Die BMW AG sieht keinen Anlass im aktuellen BGH-Urteil, das Vergütungssystem für ihre Betriebsräte zu überprüfen.» Man bezahle Betriebsratsmitglieder gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz und der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.