Aufatmen in Brüssel: Das weitgehende Verbot neuer Autos mit Verbrennermotor kommt. Die EU-Staaten beschlossen nach wochenlanger Blockade Deutschlands am Dienstag endgültig, dass ab 2035 keine Neuwagen mehr zugelassen werden dürfen, die Benzin oder Diesel tanken. Berlin setzte eine Ausnahme durch. So soll es möglich sein, bestimmte Verbrenner-Autos zu kaufen – vorausgesetzt, sie laufen ausschließlich mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels.
«Diese endgültige Abstimmung ist ein wichtiger Schritt in Richtung emissionsfreie Mobilität in der EU», sagte EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermans. Bundesumweltministerin Steffi Lemke begrüßte die Entscheidung. «Die Automobilindustrie bekommt damit die nötige Planungssicherheit.» Sie betonte zudem Vorteile, die Elektromobilität derzeit im Vergleich zu E-Fuels hat.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: «Ich freue mich, dass wir eine technologieneutrale Lösung gefunden haben.» Jetzt gehe es darum, die Erklärung zeitnah umzusetzen. Wissing sprach von einem wichtigen Signal an den Markt, entsprechende Produktionskapazitäten aufzubauen. Eine breite Nachfrage nach E-Fuels sei die grundlegende Voraussetzung, dass klimaneutrale Kraftstoffe wettbewerbsfähig werden können. «Welche klimafreundliche Technologie sich in Zukunft durchsetzen wird, entscheidet der Markt.»
Wissing hatte das Vorhaben zuvor blockiert. Letztlich handelte er mit der EU-Kommission jedoch die Zusage für eine Ausnahme für E-Fuels aus.
Branche spricht von «Meilenstein»
Auch aus der Autobranche kamen positive Reaktionen: «Unsere Branche begrüßt die Planungssicherheit, die der heutige Meilenstein bringt», teilte der europäische Herstellerverband Acea mit. Ein technologieneutraler Ansatz sei der beste Weg, die Klimaziele zu erreichen. Der Kern sei dabei Elektromobilität.
Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments Ende Oktober auf das Vorhaben geeinigt, in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen zuzulassen, die im Betrieb keine Emissionen ausstoßen. In einem ungewöhnlichen Vorgehen stellte die Bundesregierung aber Nachforderungen und verzögerte so die Bestätigung des Verhandlungsergebnisses durch die EU-Staaten um mehrere Wochen. Dabei machte sich insbesondere die FDP für E-Fuels stark.
Diese können mit Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden, das aus der Luft gewonnen wird. Das Kohlendioxid wird beim Verbrennen des Kraftstoffs dann wieder freigesetzt. Anders als Benzin oder Diesel entstehen somit keine zusätzlichen klimaschädlichen Gase. Kritiker bemängeln unter anderem, dass sie in der Schiff- und Luftfahrt dringender gebraucht werden.
Ärger über «Schlupfloch»
Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler sagte, nun sei der Weg zu 100 Prozent emissionsfreier Mobilität frei. Sie sei froh, dass die Blockade gelöst worden sei. Über die deutsche Bundesregierung sagte die Grünen-Politikerin: «Dass es jetzt ein Schlupfloch gebraucht hat, um noch Zauderer mit auf den Weg zu nehmen, das finde ich schade.»
Nach der Abstimmung beim Ministertreffen ergriffen unter anderem Italien und Polen das Wort. Italien wolle sich dafür einsetzen, dass auch Biokraftstoffe als klimaneutral angesehen würden, sagte ein Vertreter des Landes. Diese werden etwa aus biologischen Rest- und Abfallstoffen hergestellt. Die Vertreterin Polens betonte: «Ich bin der Meinung, dass die Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, Gesellschaft und den Verkehr nicht ausreichend analysiert wurden.» Zudem habe man rechtliche Bedenken. Polen stimmte gegen das Vorhaben. Italien, Rumänien und Bulgarien enthielten sich.
Hintergrund der Debatte über ein Verbrenner-Aus sind die sogenannten Flottengrenzwerte. Das sind Vorgaben für Hersteller, wie viele Treibhausgase neue Autos im Betrieb ausstoßen dürfen. Eigentlich ist vorgesehen, dass dieser Wert 2035 auf null sinken soll, was de facto das Aus für die meisten neuen Verbrenner bedeutet.
Diskussion nicht abgeschlossen
Auf Druck Deutschlands sollen nun unter anderem mit einem sogenannten delegierten Rechtsakt Ausnahmen für E-Fuel-Autos in das EU-Regelwerk aufgenommen werden. Dieser wird von der EU-Kommission erlassen, aber das EU-Parlament und die EU-Staaten können zwei Monate lang Einwände erheben.
Wie aus einer Mitteilung der EU-Staaten hervorgeht, wird die Kommission vorschlagen, E-Fuel-Autos außerhalb der Flottengrenzwerte zuzulassen. Die Behörde las den entsprechenden Paragrafen so, dass davon nur Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sind. Nach Berliner Lesart soll die Ausnahme dagegen für alle Autos gelten.
Ob nach 2035 überhaupt in relevanter Zahl Verbrenner zugelassen werden, ist offen. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nennt als Argument gegen solche Antriebe die hohen Kosten für die Herstellung der Kraftstoffe und die «gruselige Energiebilanz» – bei der Herstellung wird extrem viel Strom verbraucht. Die Industrie muss solche Autos zunächst noch bauen, und es müssen Lösungen gefunden werden, wie sichergestellt wird, dass Fahrzeuge nur E-Fuels nutzen.