• Fr. Nov 22nd, 2024

Kasachstans Steppe – liegt hier Deutschlands Energiezukunft?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht das Wasserstoffprojekt «Hyrasia One» in Kasachstan. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa)

Staubiger Sandboden, braune Grasbüschel, eine Reihe von Strommasten, am Horizont das Kaspische Meer und eine Eisenbahntrasse. Sonst nichts. So weit das Auge reicht. Es braucht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier in der kasachischen Steppe Deutschlands Energiezukunft liegen könnte. «Hyrasia One» lautet der Name des Projekts, für das sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den langen Weg in den Südwesten Kasachstans auf sich nimmt.

Noch steht «Hyrasia One» nur auf dem Papier – wie vieles im Bereich grüner Wasserstoff. Das Vorhaben wird von einem Unternehmen gleichen Namens vorangetrieben, das zur Svevind Energy Group gehört, einem Projektentwickler für erneuerbare Energien mit Hauptsitz in Dresden.

Geschäftsführer Wolfgang Kropp denkt im großen Maßstab. Auf einer Fläche von der Ausdehnung Brandenburgs soll ein gigantischer Windenergie- und Photovoltaikpark entstehen. Im für 2032 geplanten Endausbau soll eine Nennleistung von rund 40 Gigawatt installiert sein – das entspräche der Leistung von rund 30 Atomkraftwerken.

Herstellung von grünem Wasserstoff ab 2030

Mit Hilfe der klimaneutral erzeugten Energie soll ab 2030 durch die Elektrolyse von Wasser grüner Wasserstoff hergestellt werden. Bis zu zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Damit ließe sich nach Angaben des Unternehmens rund ein Fünftel des von der EU für 2030 erwarteten Importbedarfs decken. Laut Hyrasia One handelt es sich um eines der fünf größten Wasserstoffprojekte weltweit. Keines von ihnen ist bisher fertiggestellt.

Warum ausgerechnet hier, rund 3000 Kilometer von Deutschland entfernt? Kropp hat dafür eine einfache Erklärung: «Kasachstan hat hervorragende Windverhältnisse wie im Offshore-Bereich an der Nordseeküste in Deutschland. Es hat sehr gute Solarbedingungen wie in Spanien. Es hat Fläche ohne Ende. Und es hat Wasser.» Und die Entfernung zu Zentraleuropa sei noch akzeptabel. Zudem bekomme man von der kasachischen Regierung «jegliche Unterstützung».

Und warum in dieser Dimension? Für Kropp ist das eine Frage des Preises, den der Wasserstoff später haben wird. «Wenn ich günstige Konditionen hinbekommen will, dann muss es im großen industriellen Maßstab laufen. Dann wird es günstig. Deshalb die Größe.» Auch das geschätzte Investitionsvolumen von 40 bis 50 Milliarden Dollar (ca. 37 bis 46 Milliarden Euro) sieht Kropp unter diesem Blickwinkel. «Das Entscheidende ist: Was kostet die Energie? Und wenn der Energiepreis wettbewerbsfähig ist, dann bekomme ich dafür auch eine Finanzierung.»

Dass diese Dimensionen nötig seien, findet auch Steinmeier: «Wenn wir ernsthaft an der Transformation unserer Energiewirtschaft arbeiten wollen, dann brauchen wir Größenordnungen, die bei weitem das übersteigen, was wir im eigenen Land produzieren können.»

Allerbeste Voraussetzungen in Kasachstan

Die deutsche Gaswirtschaft bewertet das Projekt als «sehr wichtig» für die Energieversorgung der Europäischen Union. In Kasachstan böten sich allerbeste Voraussetzungen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, sagt der Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas, Timm Kehler. Steinmeiers Besuch sei ein wichtiges Signal. «Vor allem muss sich aber die Europäische Union klar zu dem Projekt bekennen. Denn die grüne Energie aus Kasachstan ist auch für andere Märkte in Asien von Interesse.»

Immerhin: Beim Abschluss eines «Investment Agreement» mit der kasachischen Regierung im Oktober vergangenen Jahres war auch Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, dabei.

Dass der Bundespräsident gekommen ist, wertet auch Kropp als Signal. Als Signal, dass die Politik hinter seinem Projekt steht. Von der Symbolik her sei das auch wichtig gegenüber Kasachstan. Um Symbolik geht es an diesem Mittwoch auch in anderer Hinsicht: Steinmeier drückt einen überdimensionierten grünen Schaltknopf – hinter ihm röhrt eine große Bohrmaschine los. Sie schiebt ihr Gestänge senkrecht in den Boden, um die Eignung für die geplanten Anlagen zu erkunden.

Von Ulrich Steinkohl, dpa