Der gesetzliche Mindestlohn soll Anfang 2024 das nächste Mal erhöht werden. Bevor die zuständige Kommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern am Montag ihren Vorschlag dazu vorlegt, diskutieren Experten kontrovers über die künftige Höhe. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12 Euro pro Stunde.
Angesichts stark gestiegener Verbraucherpreise sprechen sich nicht nur Sozialverbände für eine Anhebung um 2 Euro auf 14 Euro aus, das wäre ein Plus von 16,7 Prozent. Mit Blick auf die Kosten hoffen Unternehmen auf eine geringere Anhebung. In der Regel macht die Bundesregierung den Kommissionsvorschlag mit einer Verordnung verbindlich. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 ausnahmsweise per Gesetz von 10,45 Euro auf 12 Euro angehoben.
«Eine zu deutliche und zu schnelle Erhöhung des Mindestlohns wäre für viele Handelsunternehmen nur sehr schwierig zu stemmen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth. «In der Folge könnte es dann zu Geschäftsschließungen und Personalabbau kommen.»
Zurückhaltung geboten – oder gerade nicht?
Auch das Münchner Ifo-Institut plädierte für Zurückhaltung. Die Mindestlohnkommission habe den Auftrag, sich bei ihrer Empfehlung für die Erhöhung daran zu orientieren, wie sich die Tariflöhne insgesamt entwickelt haben, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest der Funke-Mediengruppe (Sonntag). «Im ersten Quartal 2023 lagen die Tariflöhne knapp drei Prozent höher als ein Jahr zuvor, bis Oktober könnte die Steigerung etwas höher liegen. Sinn dieser Regel ist, dass die Mindestlöhne den allgemeinen Tariflöhnen folgen sollten, sie die Lohnentwicklung aber nicht bestimmen sollen.»
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte hingegen, dass eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro von zurzeit 12 Euro gesamtwirtschaftlich gesehen positive Effekte hätte. «Denn es würde die Kaufkraft vieler Menschen stützen und somit auch einen Nachfrageimpuls setzen und zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen», sagte er.
Der Paritätische Gesamtverband und der Sozialverband VdK machten sich für mindestens 14 Euro Mindestlohn stark. «Jemand, der Vollzeit erwerbstätig ist, muss von seinem Lohn für sich selber sorgen können», sagte der Geschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, der dpa. «Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch des Anstands.» Es gehe dabei auch um Ansprüche für die spätere Rente. VdK-Präsidentin Verena Bentele verlangte von der Kommission, «dass sie einen armutsfesten Lohn für die untersten Einkommensgruppen auf den Weg bringt».
Der 2015 in Deutschland eingeführte Mindestlohn hat sich nach Ansicht der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, «millionenfach bewährt». Er sei das staatliche Versprechen, dass niemand zu Dumpinglöhnen arbeiten muss, sagte Mast der dpa. Ziel sei es aber nicht, dass Menschen dauerhaft zum Mindestlohn arbeiteten. «Das wäre respektlos.»