Twitter-Besitzer Elon Musk versucht, X als den neuen Namen für den Kurznachrichten-Dienst zu etablieren. Der Wandel wird nun Schritt um Schritt durchgezogen: So wurde in der Web-Version das gewohnte Logo mit dem blauen Vogel am Montag durch ein neues mit dem Buchstaben X ersetzt. Auf das Hauptquartier in San Francisco wurde das X-Logo kurzerhand projiziert.
Zugleich gab es noch vielerorts Überbleibsel der alten Twitter-Welt: Die Beiträge waren weiter auf twitter.com zu finden, der Account-Name des offiziellen Profils des Dienstes lautete nach wie vor @twitter» – und in der Smartphone-App war das alte Logo zunächst allgegenwärtig.
Mit einer Umbenennung will Musk eine mehr als 15 Jahre alte Marke mit weltweiter Bekanntheit und hohem Erkennungswert einfach verschwinden lassen. Er zeigte sich aber entschlossen, das Vorhaben durchzuziehen. Als der Youtuber Marques Brownlee schrieb, er werde den Dienst weiter Twitter nennen, entgegnete Musk: «Nicht mehr lange.» Und er zeigte sich überzeugt, dass sich der neue Name durchsetzen werde.
Kritik folgt prompt
Auf die Frage, wie man Tweets künftig nennen solle, antwortete Musk mit einem unnötigen Apostroph: «X’s» (etwa: Xe). Auf der Plattform erntete Musk mit dem Neuanstrich einige Kritik. So fanden Nutzer, es würde besser zu einem «Striptease-Club in einem Vorort» oder einem Tattoo-Studio passen. «Vielleicht die dümmste Entscheidung aller Zeiten», schrieb ein anderer. Jack Dorsey, ein Mitgründer und langjähriger Chef von Twitter, rief auf, Ruhe zu bewahren und sich einfach durchzu-x-en.
Das 2006 gestartete Twitter wurde schnell zur Plattform, in der man den Puls der Welt spüren konnte. Die Notlandung eines Flugzeugs im New Yorker Hudson River Anfang 2009 zeigte das Potenzial des Dienstes: Ein Nutzer hatte die ersten Bilder von dem im Wasser schwimmenden Flugzeug hochgeladen – und sie gingen um die Welt. US-Präsident Donald Trump regierte in seiner Amtszeit zu großen Teilen mit Hilfe der App – einige Minister erfuhren aus Tweets von ihrer Absetzung.
44 Milliarden Dollar
Musk hatte Twitter im vergangenen Oktober für rund 44 Milliarden Dollar gekauft und baut den Dienst nach seinen Vorstellungen um. Unter anderem geht Twitter unter der Regie des für seine rechten politischen Ansichten bekannten Unternehmers lascher mit Verschwörungstheorien etwa zum Corona-Virus um. Auch entließ er mehr als die Hälfte der Mitarbeiter – was aus sicht von Branchenbeobachtern für einige Störungen und Ausfälle in den vergangenen Monaten mitverantwortlich war.
Finanziell war es bisher ein mieser Deal. Mehrere Investoren, die sich am Twitter-Kauf beteiligten, kappten die Bewertung ihrer Anteile bereits zum Teil um mehr als die Hälfte. Musk räumte jüngst ein, dass sich die Werbeeinnahmen von Twitter seit der Übernahme halbierten.
Dabei sind die Anzeigenerlöse traditionell die zentrale Geldquelle des Dienstes. Einige große Werbekunden verließen Twitter, weil sie unter Musk ein negativeres Umfeld für ihre Marken befürchten. Er will mehr mit Abo-Gebühren verdienen – so wird eingeschränkt, wie viele Beiträge Nutzer pro Tag sehen dürfen. Zugleich holte er für den Chefposten jüngst die erfahrene Managerin Linda Yaccarino, die zuvor das Anzeigengeschäft beim Medienriesen NBCUniversal verantwortete.
Super-App mit vielen Funktionen
Musk hatte schon früher immer wieder mal behauptet, er wolle Twitter zu einer Plattform mit dem Namen X ausbauen, einer Super-App mit allen möglichen Funktionen nach dem Vorbild etwa von WeChat in China. Bis auf die Gewährung von Lizenzen für Geldtransfers in drei US-Bundesstaaten wurden jedoch kaum konkrete Schritte dafür bekannt.
Im Frühjahr brachte Musk den Online-Dienst allerdings bereits in ein neues Unternehmen mit dem Namen X Corp. ein. Die Website x.com leitet seit Sonntag zu Twitter um. Das funktioniert auch, wenn man zur Website-Adresse einzelne Profilnamen hinzufügt – und könnte der erste Schritt sein, um von twitter.com zu x.com umzuziehen. Der Name x.com hat eine lange Geschichte: Im den 90er Jahren war es ein von Musk mitgegründeter Online-Finanzdienstleister, der im heutigen Unternehmen Paypal aufging. Musk kaufte sich die Rechte daran später zurück.
Der Tech-Milliardär hatte am Wochenende angekündigt, man werde «der Twitter-Marke bald Adieu sagen». Mit der schrittweisen Umgestaltung wirkte das wie eine spontane Idee. Musk provoziert generell gern und ließ bereits im April das Twitter-Logo für wenige Tage durch das Symbol der Digitalwährung Dogecoin ersetzen.
Wiedererkennbare Logos gehören zu den wertvollsten Besitztümern eines Unternehmens. Dennoch passiert es immer wieder, dass Firmen sie bei einer Modernisierung verwerfen – und manchmal wieder zurückrudern müssen. So bekam etwa das Logo der Lebensmittelmarke Kraft eine zweite Chance – und die Bekleidungskette Gap ließ eine Umgestaltung nach nur wenigen Tagen fallen. Ähnlich schnell reagierte auch Netflix 2011, als der Versuch, den DVD-Versand per Post unter dem neuen Namen Qwikster abzuspalten, von den Kunden zurückgewiesen wurde.