Freistehend mit Garten, modern, 150 Quadratmeter Wohnfläche: In Kunowice gibt es solche Häuser noch für unter 250.000 Euro. «Allerdings sind die Angebote schon seltener geworden», sagt David Lis. Sechs zählt der Immobilienmakler noch in dem kleinen Örtchen, zehn Autominuten von Frankfurt (Oder) entfernt. Vieles ist auch hier schon abgegrast.
Zwei Straßen weiter hält Lis bei einem, der früh genug dran war. Nach der Pensionierung aufs Land, das stand für den 65-jährigen Besitzer immer fest. «Diese Natur hier, der Klatschmohn, die Pferde auf der Koppel», schwärmt er. «Es ist eine Landschaft zum Niederknien.» Lange habe er versucht, dieses Glück in Deutschland zu finden, vor allem in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern. «Wir haben ewig gespart», so der pensionierte Beamte. Gereicht habe es am Ende trotzdem nicht.
1600 Quadratmeter fasst sein Grundstück, 150 Quadratmeter Wohnfläche: Damals hat das keine 200.000 Euro gekostet. «Auch wegen der Sanierung wäre es heute sicher rund 50 Prozent teurer», sagt Lis. Die Region werde immer beliebter, was auch ein Blick in die Nachbarschaft bestätigt. Dicht an dicht glänzen die schiefergrauen Neubau-Dächer in der Sonne.
Teure Kredite, wenig Erspartes: Gerade in Krisenzeiten bleibt das Eigenheim in Deutschland für viele ein unerfüllter Traum. In Polen kann er noch in Erfüllung gehen. Weil trotz steigender Preise alles noch etwas günstiger ist – und die Bürokratie es zulässt.
«Auch wenn die Preise in Polen gestiegen sind, sind Häuser und Wohnungen dort noch 20, 30 oder 40 Prozent günstiger als bei uns», sagt Florian Koch, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Belastbare Daten seien allerdings Mangelware, vor allem für ländliche Regionen wie an der Grenze.
Ukraine-Krieg und Inflation beeinflussen Kaufkraft
Zwar sei der Zuzug aus der Ukraine in Polen noch deutlich größer als in Deutschland, was die Nachfrage und damit die Preise treibe. «Dass sich die Immobilienpreise in Polen und Deutschland aber angleichen, dürfte angesichts der Einkommensunterschiede unwahrscheinlich sein», sagt Koch. Und wo ein Preisgefälle bestehe, zögen Menschen auch weg. «Das sehen wir auch in anderen Grenzregionen, etwa an der zu Frankreich.»
Dabei ist das Eigenheim auch in Deutschland inzwischen günstiger geworden. Die Preise für Wohnimmobilien sind im ersten Quartal so stark gefallen wie seit 23 Jahren nicht, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Im Schnitt kosteten sie 6,8 Prozent weniger als noch im Vorjahresquartal. Der jahrelange Immobilienboom klingt vorerst ab.
Allerdings zehren Ukraine-Krieg und Krisen an der Kaufkraft der Interessenten. Die hohe Inflation hat Spuren hinterlassen, auch auf manchem Sparkonto. Und Kredite und Bauzinsen sind heute deutlich teurer als noch vor zwei Jahren. Das Resultat: Das Neugeschäft der Banken mit Wohnimmobilienkrediten an Privatleute liegt am Boden. Im April brach es laut Bundesbank-Daten abermals um rund die Hälfte ein.
«Eine vergleichbare Immobilie auf polnischer Seite kostet maximal zwei Drittel so viel wie bei uns», sagt Fred Mahro, Bürgermeister der Grenzstadt Guben in der Lausitz. Und das, obwohl auch in Guben die Immobilienpreise leicht nach unten gingen. «Also genauso wie der gesamte Trend in Brandenburg», sagt Mahro.
Begehrte Regionen in Brandenburg – Wohnraum knapp
Klar ist, dass der Immobilienmarkt in Brandenburg unter besonderem Druck steht. Kein anderes Bundesland verzeichnete im vergangenen Jahr unter dem Strich so viele innerdeutsche Zuwanderungen. Wie das Statistische Bundesamt berichtet, zogen 14.000 Brandenburgerinnen und Brandenburger mehr zu als weg, vor allem aus Berlin. Brandenburg erstreckt sich über den mit Abstand größten Teil der deutsch-polnischen Grenze.
«Besonders beliebt ist Teltow-Fläming südlich von Berlin und Potsdam», sagt Achim Amann, Vorstandsmitglied im Immobilienverband Deutschland (IVD) Berlin-Brandenburg. Auch Kloster Lehnin, Brandenburg an der Havel oder auch die Uckermark stünden hoch im Kurs. «Weiter im Norden natürlich noch die Müritz und Rügen, die Klassiker also», sagt Amann. Seine Agentur verkauft in Eggersdorf bei Berlin auch ein freistehendes Haus, das eine vergleichbare Wohnfläche hat wie das in Kunowice. Der Garten ist nicht einmal halb so groß, trotzdem kostet es rund 560.000 Euro. Fast das Dreifache des Kaufpreises in Kunowice.
Günstigen Wohnraum gibt es aber auch diesseits der Grenze, vor allem in den ländlichen Regionen. Warum also in ein Land mit fremder Sprache ziehen? «Das dürfte auch an den energetischen Vorgaben liegen», sagt Koch. Die seien in Polen in der Regel laxer. Ein Anreiz – gerade, wenn das gekaufte Haus noch saniert werden müsse.
Zudem werde es den Deutschen immer leichter gemacht, nach Polen zu ziehen, sagt Makler Lis. «Bis 2016 brauchte es noch eine Genehmigung vom Ministerium oder einen polnischen Strohmann als eingetragenen Hauseigentümer», sagt er. Mittlerweile aber könnten Deutsche unter gleichen Bedingungen kaufen wie ihre polnischen Nachbarn. «Die Deutschen stellen seit Jahren die zweitgrößte ausländische Käufergruppe in Polen, gleich hinter den Ukrainern.»
Auch für den Besitzer des Hauses in Kunowice war der bürokratische Aufwand 2020 nach eigener Aussage überschaubar geblieben. Neben der netten Nachbarschaft und dem vielen Grün schätzt der 65-Jährige an Kunowice die Nähe zu Berlin. «Dieser Katzensprung über die Grenze war uns wichtig», sagt er. Sei es für einen Arztbesuch oder für den Besuch bei der Familie – schnell ist man wieder in der alten Heimat. «Wir sind hier ja nicht aus der Welt.»