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Klimaneutralität dank Wasserstoff: Bund schärft Strategie

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Jul 26, 2023 ,
Wirtschaftsminister Robert Habeck (r.) Forschungsminisaterin Bettina Stark-Watzinger (l.) und Verkehrsminister Volker Wissing beim Statement zum Beschluss der Nationalen Wasserstoffstrategie. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa)

Bei der Energie- und Klimawende soll Wasserstoff eine Schlüsselrolle spielen. Doch wie soll das gehen? Bereits 2020 hat die damalige Bundesregierung einen politischen Handlungsrahmen formuliert, die «Nationale Wasserstoffstrategie» (NWS). Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hat die Ampel-Koalition jetzt eine Fortschreibung erarbeitet. Sie soll am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Ein Überblick zum Thema Wasserstoff.

Warum gilt Wasserstoff als Hoffnungsträger?

Weil bei der Verbrennung mit Sauerstoff schlicht Wasser, also H2O, entsteht und eben kein klimaschädliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Wird Wasserstoff klimafreundlich hergestellt, soll er dabei helfen, den Ausstoß von CO2 deutlich zu verringern und laut Bundesregierung sogar «bis auf null zu führen».

Wo soll Wasserstoff zum Einsatz kommen?

Mit Ökostrom hergestellter Wasserstoff soll zum einen als chemischer Rohstoff eingesetzt werden. Als Grundstoff für die chemische Industrie wird Wasserstoff schon lange verwendet, etwa zur Herstellung von Ammoniak, einer Ausgangsbasis für Düngemittel. In der Stahlindustrie etwa soll Öko-Wasserstoff künftig eine zentrale Funktion übernehmen: Wo bei der Herstellung von Roheisen bislang Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff entzieht, soll künftig Wasserstoff ran.

Zum anderen soll er als Energieträger und damit auch als Energiespeicher dienen. In einigen Jahren soll er etwa als Brennstoff in modernen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung verwendet werden. Sie sollen zum Einsatz kommen, wenn nicht genügend erneuerbarer Strom etwa aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff schon länger zur Stromerzeugung eingesetzt. Gelagert werden soll Wasserstoff etwa in früheren Erdgasspeichern.

Wie soll der Wasserstoff hergestellt werden?

Der Wasserstoff soll vorzugsweise mit Hilfe von erneuerbarem Strom in sogenannten Elektrolyseverfahren hergestellt werden. Dabei zerlegt Strom Wassermoleküle in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Wird dabei Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet, wird der Wasserstoff «grün» genannt. Eingefärbt wird das Gas aber nicht.

Je nach Art der Herstellung werden auch andere Farben zur Bezeichnung verwendet. So spricht man etwa von «grauem» Wasserstoff, wenn bei der Herstellung aus Erdgas das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entweicht. Wird dabei das freiwerdende Kohlendioxid gespeichert, bezeichnet man ihn als «blau». Wird dabei fester Kohlenstoff gewonnen, wird der Wasserstoff «türkis» genannt.

Wo kommt der Wasserstoff bislang her?

In Deutschland werden jährlich rund 55 Terawattstunden Wasserstoff verbraucht, vor allem von der chemischen Industrie. Gewonnen wird er bislang überwiegend aus Methan, dem Hauptbestandteil von fossilem Erdgas.

Wie viel Wasserstoff wird künftig benötigt?

Viel mehr als bisher. Die bisherige NWS nahm für 2030 einen Wasserstoffgesamtbedarf von 90 bis 110 Terawattstunden an. Im jüngsten Entwurf der NWS-Fortschreibung wird diese Spanne nach oben gesetzt: auf 95 bis 130 Terawattstunden. Zum Vergleich der Energiemenge: 2022 erzeugten laut Energiewirtschaftsverband BDEW erneuerbare Energieträger in Deutschland brutto rund 257 Terawattstunden Strom.

Wie viel ist denn eine Terawattstunde Wasserstoff?

Eine Terawattstunde Wasserstoff wiegt etwa 30.000 Tonnen. Zur Einordnung: Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp will in Duisburg 2026 eine neue Anlage zur Roheisenproduktion in Betrieb nehmen, die erst mit Erdgas und dann mit immer mehr Wasserstoff betrieben wird. Ab 2029 soll die Produktion dann komplett mit Wasserstoff laufen und so den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Stahlerzeugung deutlich verringern. Veranschlagt wird ein Jahresverbrauch von rund 143.000 Tonnen Wasserstoff.

Thyssenkrupp will das Gas für seine neue Anlage von mehreren Lieferanten beziehen. Bereits seit mehreren Jahren arbeite man am Aufbau einer Lieferinfrastruktur, hieß es. Bis 2027 soll das Werk an ein überregionales Wasserstoffnetz angeschlossen sein.

Woher soll der Wasserstoff künftig kommen?

In Deutschland sollen zahlreiche Elektrolyseanlagen gebaut werden, die vor allem grünen Wasserstoff produzieren. Ging die bisherige NWS noch von fünf Gigawatt heimischer Elektrolysekapazität im Jahr 2030 aus, sollen es laut Entwurf jetzt mindestens zehn Gigawatt sein. Der von diesen Anlagen produzierte Wasserstoff reicht jedoch voraussichtlich nicht aus, um den Bedarf zu decken. So geht der Entwurf davon aus, dass 2030 rund 50 bis 70 Prozent des verbrauchten Wasserstoffs importiert werden müssen. Der Wasserstoff soll dabei vor allem in Ammoniak gebunden per Schiff nach Deutschland kommen, nach 2030 dann auch über Pipelines.

Was bedeuten «10 Gigawatt Elektrolysekapazität»?

Die 10 Gigawatt beziehen sich auf die addierte elektrische Anschlussleistung der Elektrolyseure, deren Einzelkapazität meistens in Megawatt angegeben wird. 10 Gigawatt entsprechen 10.000 Megawatt. Beträgt die Leistung eines einzelnen Elektrolyseurs 10 Megawatt, bräuchte es 2030 in Deutschland also 1000 solcher Anlagen, um die geplanten 10.000 Megawatt zu erreichen. Im Februar 2023 waren in Deutschland laut H2-Bilanz des Energiekonzerns Eon bis 2030 rund 8,1 Gigawatt Elektrolysekapazität geplant.

Wie viel Wasserstoff kann ein Elektrolyseur erzeugen?

Das hängt von der Größe, dem Wirkungsgrad und der Betriebszeit der Anlage ab. Auch das Elektrolyseverfahren spielt eine Rolle. Ein Beispiel: Das Standardmodul der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera mit einer Leistung von 20 Megawatt kann pro Jahr nach Unternehmensangaben maximal 3100 Tonnen Wasserstoff produzieren. Der Markt für Elektrolyseure ist in den vergangenen Jahren gewachsen: Eine Marktübersicht des bayerischen Energienetzwerks Carmen von Mitte Juli listet mittlerweile 97 Elektrolyse-Systeme von 19 Herstellern auf.

Von Helge Toben, dpa