Nach überwundener Pandemie wollen fast so viele Menschen wieder mit dem Flugzeug verreisen wie vor Corona – mit entsprechenden Folgen für Umwelt, Infrastruktur und Flugbetrieb.
Der nahende Ferienbeginn in den bevölkerungsreichen südlichen Bundesländern bedeutet insbesondere für den Flughafen Frankfurt, aber auch für München und Stuttgart absoluten Hochbetrieb. Den Auftakt machen die Hessen mit Rheinland-Pfalz und dem Saarland ab Schulschluss am Freitag (21. Juli). Flughäfen wie Airlines geben sich trotz angespannter Personallage gewiss, ein Chaos wie im vorherigen Jahr vermeiden zu können.
So erklärt Frankfurts Flughafenchef Stefan Schulte bei der Vorlage der Passagierzahlen für das erste Halbjahr: «Der im Großen und Ganzen ordentliche Betriebsablauf in der ersten Jahreshälfte stimmt uns für Frankfurt vorsichtig optimistisch und zeigt: Die zahlreich eingeleiteten Maßnahmen greifen.» Dazu gehört neben einer verbesserten Zusammenarbeit vor allem ein künstlich verknapptes Angebot. Um den Flugplan stabil zu halten, wurde in Absprache mit der Flugsicherung der Stundeneckwert der maximal möglichen Flugbewegungen abgesenkt – und soll erst im Oktober wieder auf den Ausgangswert zurückkehren.
Personal noch nicht auf Vorkrisen-Niveau
Weil auch das Personal trotz umfangreicher Rekrutierung noch nicht wieder auf dem Vorkrisen-Niveau angekommen ist, fordern die aktuellen Verkehrsspitzen das Flughafensystem stark. Erstmals seit fast vier Jahren gab es im Juni wieder drei Tage mit mehr als 200.000 Passagieren in Frankfurt. Das ist zwar noch knapp 40.000 vom Allzeitrekord aus dem Juni 2019 entfernt, aber angesichts der angespannten Situation schon eine Herausforderung.
Die Lufthansa als größter Anbieter fliegt nach eigenen Angaben deutlicher stabiler und pünktlicher als im Vorjahr. Für den eigenen Betrieb habe man mehr als 1000 neue Leute eingestellt und automatisierte Prozesse vorangetrieben, berichtet Airline-Chef Jens Ritter. Auch werde besonderes Augenmerk darauf gelegt, den ersten Flug am Morgen sehr pünktlich zu starten, um nicht Verspätungen in den gesamten Umlauf zu schleppen. In München wie in Frankfurt beschleunigen neuartige CT-Scanner die Passagier- und Handgepäckkontrollen, der Selbst-Check-In über das Smartphone wird immer mehr zum Standard. Fraport organisiert zudem den Personaleinsatz an den Kontrollspuren seit Jahresbeginn selbst und damit nach eigener Einschätzung effektiver als zuvor die Bundespolizei.
Die Passagiere können selbst zu einem flüssigen Ablauf beitragen, sagt Fraport-Manager Alexander Laukenmann. Digitales Check-In, Gepäckabgabe schon am Vorabend oder fest buchbare Zeitfenster an den Sicherheitskontrollen sind die wichtigsten Angebote. Auch solle sich jeder informieren, was unbedingt ins Handgepäck gehört (Akkus), was separiert werden muss (Flüssigkeiten, Elektronik) und was auf keinen Fall drin sein darf (Messer, Waffen).
Wer auf das Einchecken am Schalter nicht verzichten kann oder will, solle dennoch nicht zu früh zum Flughafen kommen, sagt Laukenmann. Er warnt: «Nicht früher als die 2,5 Stunden in den Terminals sein. Die Check-In-Schalter sind dann noch nicht geöffnet und Sie haben letztlich unnötige Wartezeiten, die vermeidbar wären. Für Gäste, die nur Handgepäck mitbringen, reichen zwei Stunden vor dem Abflug völlig aus.»
Weniger Verspätungen
So forsch war Fraport schon lange nicht mehr. Tatsächlich ist das Chaos an Europas Himmel auch nach kräftigen Steigerungsraten zum Vorjahr bislang ausgeblieben. Trotz schwieriger Wetterlagen und dem zweiwöchigen Großmanöver «Air Defender» hat es im Juni weniger Verspätungen gegeben als im Vorjahresmonat, berichtet die europäische Flugsicherungsorganisation Eurocontrol in Brüssel.
Die europäischen Lotsen lenken an einzelnen Tagen wieder fast so viele Flüge durch den kriegsbedingt enger gewordenen Luftraum wie im Jahr 2019. Der Vor-Corona-Spitzenwert mit mehr als 37.000 Flügen am 28. Juni 2019 ist in diesen Tagen nur noch rund 3000 Flugbewegungen entfernt. Für den bisherigen Jahresverlauf gibt Eurocontrol eine Lücke von rund 10 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Niveau an.
Deutschland gehört wie schon im Vorjahr nicht zu den Hotspots des entgegen aller Klimabedenken wiedererstarkten Flugverkehrs. Gründe sind die auf eine gute Hälfte zusammengestrichenen Inlandsflüge und der Umstand, dass insbesondere der Billigflieger Ryanair einen weiten Bogen um den deutschen Markt fliegt. Ihr immenses Wachstum konzentrieren die Iren auf Italien, Spanien, Polen oder auch Albanien, wo geringere Zugangskosten und Gebühren locken.
Die solchermaßen verlangsamte Aufholjagd führt dazu, dass der CO2-Ausstoß des Luftverkehrs in Deutschland laut Eurocontrol noch 14,3 Prozent unter dem Wert aus dem Juli 2019 liegt. Der Branchenverband BDL sieht das Angebot an den deutschen Flughäfen für das zweite Halbjahr bei 85 Prozent des Vorkrisen-Niveaus, während im übrigen Europa die Verkehrswerte aus 2019 im Schnitt wieder vollständig erreicht werden.