Die Talfahrt des Geschäfts mit Corona-Impfstoff geht weiter: Im zweiten Quartal des von Biontech als Übergangsjahr bezeichneten Geschäftsjahres 2023 ist das erfolgsverwöhnte Mainzer Unternehmen nun sogar in die Verluste gerutscht, auch beim Blick auf das erste Halbjahr fallen Gewinn und Umsatz deutlich geringer aus als 2022. Entsprechend richtet Biontech den Blick voraus, kündigt für September die voraussichtliche Markteinführung eines angepassten Covid-19-Impfstoffs an und verweist auf Fortschritte bei der Entwicklung individualisierter Krebstherapien.
Vorbehaltlich einer Zulassung könne der an die Corona-Variante XBB.1.5, einer Untervariante von Omikron, angepasste Impfstoff ab September ausgeliefert werden, teilte Biontech am Montag in Mainz mit. Bisher war nur vom Herbst die Rede gewesen. Er könne damit für die bevorstehende Herbst-Winter-Saison zur Verfügung stehen, sagte Vorstandschef Ugur Sahin. Die Zulassungsanträge bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA und der US-Behörde FDA für den angepassten Impfstoff für Menschen ab sechs Monaten seien im Juni von Biontech und Pfizer eingereicht worden.
Wie beim US-Partner Pfizer hinterlässt das mittlerweile deutlich geringere Geschäft mit Covid-19-Impfstoffen auch in der Bilanz der Mainzer starke Spuren. So sank der Umsatz mit diesen Vakzinen im ersten Halbjahr auf 1,4 Milliarden Euro nach 9,57 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn brach von 5,37 Milliarden Euro ein auf nun 311,8 Millionen Euro. Finanzvorstand Jens Holstein sagte, das Marktumfeld für Covid-19-Impfstoffe entwickele sich weiter dynamisch und bleibe unberechenbar.
Verlust für Biontech im zweiten Quartal
Für das Ende Juni zu Ende gegangene zweite Quartal stand unter dem Strich sogar ein Verlust von 190,4 Millionen Euro. Im Vorjahresquartal hatte Biontech noch einen Gewinn von 1,67 Milliarden Euro erzielt. Die Quartalserlöse lagen bei 167,7 Millionen Euro nach 3,2 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Biontech blieb aber bei seiner Prognose für das Gesamtjahr und rechnet weiter mit Umsätzen mit Covid-19-Impfstoffen in Höhe von rund 5 Milliarden Euro.
Das Geschäft mit Impfstoff unterliege saisonalen Effekten, derzeit sei Sommer auf der nördlichen Erdhalbkugel, sagte Holstein. Zum Herbst und Winter rechnet Biontech dann wieder mit mehr Einnahmen. 2023 sei der Beginn des erwarteten Übergangs von einem Markt mit Einkaufsverträgen mit Regierungen hin zu kommerziellen Marktbestellungen, so das Unternehmen.
Das Unternehmen verwies darauf, dass nach Ende des zweiten Quartals noch mehrere Zahlungen eingegangen seien, darunter eine Ausgleichszahlung vom Partner Pfizer in Höhe von rund 1,06 Milliarden für den Anteil von Biontech am Bruttogewinn für das erste Quartal 2023. Hinzugekommen seien im August 437,7 Millionen als Folge des angepassten Vertrags mit der Europäischen Union (EU).
Worauf fokussiert sich Biontech in der Zukunft?
Angesichts des rückläufigen Geschäfts mit Corona-Impfstoffen rückt die Entwicklung individualisierter Krebstherapien, die wie das Vakzin auf mRNA-Basis funktionieren, noch mehr als ohnehin schon in den Fokus. Vergleichsweise weit ist Biontech etwa bei Therapien für Patienten mit Bauspeicheldrüsen- und Lungenkrebs. Für einen Wirkstoffkandidaten namens BNT316 gegen Lungenkrebs hat im Juni eine Studie der Phase 3 begonnen. Sie sieht nach Unternehmensangaben zunächst die Behandlung von rund 600 Patienten vor. Diese sollten zunächst in den USA rekrutiert werden, anschließend auch in Europa. Zu einem Wirkstoffkandidaten gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs plant Biontech in der zweiten Hälfte 2023 eine klinische Phase-2-Studie.
«Wir bringen unsere Onkologie-Pipeline in fortgeschrittenere Entwicklungsphasen, haben eine zulassungsrelevante Phase-3-Studie gestartet und bereiten weitere Studien mit Zulassungspotenzial in den kommenden Monaten vor», erklärte Sahin.
Biontech gab im ersten Halbjahr dieses Jahres mit 707,4 Millionen Euro mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus als im Vorjahreszeitraum (685,4 Millionen Euro). Das Unternehmen verwies auf höhere Kosten bei den voranschreitenden klinischen Studien und höhere Kosten durch mehr Personal in Forschung und Entwicklung.