Gut geschützt gegen Wind und Wetter – das bedeutet meist Jacken und Hosen auf Basis von Erdöl. Wie die Herstellung von Outdoor-Kleidung nachhaltig funktionieren soll, will das finnische Unternehmen UPM vormachen. Für seine nach eigenen Angaben weltweit erste Bioraffinerie im industriellen Maßstab haben sich die Finnen Sachsen-Anhalt als Standort ausgesucht. Wo in der DDR das Herz der chemischen Industrie schlug, wird jetzt wieder an der Zukunft gearbeitet.
Im Industriepark Leuna liegen Buchenstämme in langen Reihen wie in einem Sägewerk aufgestapelt, inmitten von silbernen Röhren, Brücken und Industrieschornsteinen. Bald soll dort, wo gerade noch eine riesige Baustelle ist, aus Holz Kunststoff hergestellt werden.
«Viele Konzerne haben klar definierte Ziele, bis wann sie klimaneutral produzieren wollen», sagt der Leiter der Prozessentwicklung von UPM, Konrad Gebauer. Das finnische Unternehmen setzt zur Herstellung von chemischen Grundstoffen, die für die Herstellung von Textilien über Gummi bis hin zu Waschmitteln gebraucht werden, nicht auf Erdöl als Ausgangsmaterial, sondern auf Holz – auf Buchenholz, um genau zu sein. Mit Vaude, dem Hersteller von Outdoor-Kleidung aus Baden-Württemberg, gibt es bereits eine nennenswerte Kooperation. Zusammen wollen sie die erste Fleecejacke aus holzbasiertem Polyester herstellen.
UPM: Die nächste Stufe nachhaltiger Textilien
«Das ist eins zu eins das Gleiche, was die etablierte chemische Industrie aus fossilen Quellen herstellt», sagt Gebauer. «Wir nutzen jedoch mit Buchenholz einen nachwachsenden Rohstoff als Startmaterial.» In chemischen Prozessen werde das Holz so aufgespalten, dass am Ende die gleichen chemischen Stoffe stünden, wie sie auch aus Erdöl hergestellt werden können. Man beweise damit, dass die nächste Stufe nachhaltiger Textilien bereits jetzt möglich sei, teilte das Unternehmen mit.
Aber die Entwicklung wird auch kritisch gesehen: Es sei gut und richtig, wenn erste Hersteller auf nachhaltigere Rohstoffe und Produkte setzten, sagt Umwelt-Expertin Viola Wohlgemuth von Greenpeace. «Aber die sind nicht die Masse und diese Kleidung können sich auch nicht alle leisten.» Zudem stürzten sich gerade viele Unternehmen auf Holz als nachwachsenden Rohstoff, so dass dadurch neue Konkurrenzkämpfe entstünden. Auch andere Hersteller, wie das österreichische Unternehmen Lenzing, setzen schon auf Holz für die Textilindustrie. Der WWF veröffentlichte vor kurzem eine Studie mit der Universität Kassel: Bereits heute gebe es weder in Deutschland noch weltweit genügend Holz, um die Nachfrage nachhaltig zu decken.
Rund 90 Prozent der Kleidung importiert
Wichtig sei es vor allem, sind sich Umweltorganisationen einig, die Verschwendung zu beenden, um auch Holz als Rohstoff nicht zu übernutzen. Auch das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau stellt fest, dass die Textilbranche stark von der Globalisierung geprägt ist. Rund 90 Prozent der in Deutschland gekauften Kleidung stamme aus dem Import, größtenteils aus China, der Türkei und Bangladesch, heißt es in einem Bericht des UBA.
Der Weg zu echter Nachhaltigkeit kann nach Ansicht von Umweltorganisationen nur sein, in eine Kreislaufwirtschaft zu kommen. Die hergestellten Produkte müssten dann auch wieder recycelt werden. «Es wird keine technische Lösung geben für eine Übernutzung. Wir müssen uns von diesem Märchen verabschieden», sagt Wohlgemuth von Greenpeace.
Darauf setzt auch Vaude. «Durch die Integration der biobasierten Materialien von UPM können wir die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft weiter erforschen und nutzen», teilte das Unternehmen mit. Dafür setzt das Modeunternehmen auf die Grundstoffe aus Leuna. Mehr als 220.000 Tonnen chemischer Stoffe sollen pro Jahr in der neuen Bioraffinerie in Leuna entstehen. Dafür investiert UPM rund 1,18 Milliarden Euro in das neue Werk. Erst vor wenigen Tagen musste das Unternehmen allerdings mitteilen, dass sich der Produktionsstart noch bis Ende 2024 verschieben werde. Angedacht war eigentlich bereits Anfang kommenden Jahres.
Einen Beitrag zur Nachhaltigkeit können auch solche Initiativen durchaus haben, sagt Wohlgemuth. «Wenn die es schaffen, dann haben die anderen Hersteller keine Ausrede mehr.»