Der Dax hat nach seiner jüngsten Talfahrt am Donnerstag zugelegt. Etwas Rückenwind hatte zunächst der überraschend deutliche Rückgang der Inflation hierzulande gegeben. Zudem stützte in der zweiten Tageshälfte die leicht erholte Wall Street. Der deutsche Leitindex schloss am Abend mit plus 0,70 Prozent bei 15.323,50 Punkten. In den vergangenen fünf verlustreichen Handelstagen war er noch auf das tiefste Niveau seit Ende März gesunken.
Für den MDax der mittelgroßen Werte ging es am vorletzten Handelstag der Woche auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang Januar um 0,35 Prozent auf 25.718,43 Zähler nach oben.
Die Autoren des Börsenbriefs «Fuchs-Kapitalanlagen» sehen den Aktienmarkt in eine kritische Phase eingetreten. «Das Zins- und Konjunktur-Umfeld lässt keinen Spielraum für neue Höchstkurse». Fundamental bleibe die Lage «heikel».
Auf den Börsen lastete zuletzt vor allem die Verunsicherung hinsichtlich der Zinspolitik der US-Notenbank. Die Rendite auf US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit erreichte einen Höchststand seit 2007. Verzinste Anlagen sind längst wieder zu einer Alternative zu Aktien geworden. Zudem scheint angesichts der weiter steigenden Ölpreise eine weitere Zinserhöhung in den USA möglich, um die Inflation zu bekämpfen.
Für etwas Erleichterung sorgte insofern der Rückgang der Inflation in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022. Laut Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen zeichnet sich eine Entspannung ab. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde damit nicht weiter unter Druck gesetzt, die Zinsen zu erhöhen. Noch immer sei allerdings die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr mit mehr als vier Prozent deutlich von der Zielgröße «um zwei Prozent» entfernt, fuhr Umlauf fort, so dass die Erwartungen an mögliche Zinssenkungen wohl ebenfalls nicht forciert würden.
Hierzulande blickten die Anleger auf den Start der Pharmasparte des Mainzer Spezialglasherstellers Schott an der Börse. Die Papiere von Schott Pharma schlossen mit 31,30 Euro deutlich über dem Ausgabepreis von 27 Euro. Börsianer zeigten sich mit dem ersten Handelstag sehr zufrieden. «Gerade in dem aktuell eher schwierigen Gesamtmarktumfeld können sich die Aktien über dem Platzierungspreis gut behaupten», sagte Marktbeobachter Andreas Lipkow. «Insgesamt stehen defensive Branchen und Sektoren derzeit stark im Fokus der Investoren.» Infolge des soliden Börsenstarts legten die Papiere des Branchenkollegen Gerresheimer um 1,1 Prozent zu.
Im MDax sprangen Thyssenkrupp kurz vor dem Handelsende kräftig an und schlossen sechseinhalb Prozent höher. Das «Handelsblatt» berichtete unter Berufung auf informierte Kreise über einen geplanten Teilverkauf der Stahlsparte. Demnach könnte der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky mit 50 Prozent an Thyssen-Krupp Steel beteiligt werden, der Industriekonzern würde die restlichen Anteile halten. Über das Stahlgeschäft der Essener wird schon seit langem spekuliert.
Unter den größten MDax-Verlierern büßten die Anteilscheine von Lanxess 1,6 Prozent ein. Analystin Priyanka Patel von der schweizerischen Bank UBS stellte die Anleger in ihrem Ausblick auf den Quartalsbericht auf eine mögliche Senkung der Jahresziele des Spezialchemiekonzerns ein. Auch die Experten der Warburg Bank sehen negatives Überraschungspotenzial.
Die jüngste Korrektur der zuvor sehr stark gelaufenen Morphosys-Aktien setzte sich weiter fort. Die Papiere rutschten mit fünf Prozent Minus abgeschlagen auf den letzten SDax-Platz. Nach zuletzt eher positiven Expertenkommentaren äußerte sich nun Kempen-Analystin Suzanne van Voorthuizen skeptisch zum großen Hoffnungsträger, dem Krebsmedikament Pelabresib. Sie bekräftigte daher ihre Verkaufsempfehlung für die Aktie des Biotechunternehmens.
Auch auf europäischer Bühne erholten sich zuletzt die Kurse: Der EuroStoxx 50 als Leitindex der Eurozone gewann zum Handelsende 0,72 Prozent auf 4161,56 Punkte. Beim französischen Cac 40 stand ein Plus von 0,63 Prozent auf 7116,24 Zähler zu Buche. Der britische FTSE 100 legte um 0,11 Prozent auf 7601,85 Punkte zu. In New York sank der Dow Jones Industrial zum europäischen Handelsschluss hingegen um rund ein halbes Prozent.
Der Euro erholte sich von seinen jüngsten Verlusten und wurde am Abend zu 1,0578 Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte zuvor den Referenzkurs auf 1,0539 (Mittwoch: 1,0536) US-Dollar festgesetzt. Der Dollar hatte damit 0,9488 (0,9491) Euro gekostet.
Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,80 Prozent am Vortag auf 2,92 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,38 Prozent auf 122,25 Punkte. Der Bund-Future gab um 0,58 Prozent auf 127,55 Zähler nach.