• Fr. Nov 22nd, 2024

Nagel: Deutschland ist nicht der «kranke Mann Europas»

«Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas. Ich halte das für eine Fehldiagnose, die bei vielen allzu leicht verfängt. Wir sollten da selbstbewusster auftreten», sagt Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hält die Schwäche der deutschen Wirtschaft für vorübergehend. «Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas. Ich halte das für eine Fehldiagnose, die bei vielen allzu leicht verfängt. Wir sollten da selbstbewusster auftreten», sagte Nagel dem «Handelsblatt».

Im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit in eine sogenannte technische Rezession gerutscht. Im zweiten Quartal 2023 stagnierte in Europas größter Volkswirtschaft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal. Hohe Inflation, stockender Konsum und eine schwächelnde Weltkonjunktur machen der Exportnation Deutschland zu schaffen.

«Verglichen mit anderen Ländern steht Deutschland insgesamt gut da, nicht nur bei Beschäftigung und Schuldentragfähigkeit», sagte Nagel. «Wir sollten uns „Made in Germany“ nicht kleinreden lassen. Das deutsche Wirtschaftsmodell ist kein Auslaufmodell. Aber es braucht ein Update.» Als Stichworte nannte Nagel Energiewende, Digitalisierung und die Notwendigkeit, internationale Handelsbeziehungen widerstandsfähiger zu machen.

Einen künstlich verbilligten Industriestrom, wie er gerade politisch diskutiert wird, brauche es hingegen nicht, meint Nagel: «Breite Subventionen helfen auf Dauer meist nicht, sondern tragen dazu bei, dass sich strukturelle Defizite verfestigen und der nötige Wandel verschlafen wird.» Es sei richtig gewesen, «die extremen Preisspitzen, die wir hatten, kurzfristig abzufedern», sagte Nagel. «Wenn sich die Industrie schnell anpassen soll, sollte man Preissignale aber nicht grundlegend aushebeln. Die Unternehmen müssen sich der Herausforderung höherer Preise stellen.»