• Do. Nov 21st, 2024

Cem Özdemir spricht mit Bauern in Ellwangen

Bundesagrarminister Cem Özdemir bei einer Kundgebung in Ellwangen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Weißbrod/dpa)

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat am Mittwoch im baden-württembergischen Ellwangen lautstark den Unmut der Landwirte im Ostalbkreis zu spüren bekommen. Redner in und außerhalb der Stadthalle betonten, das Vertrauen in die Politik sei verloren gegangen. Özdemir sprach zuerst vor mehr als 700 Teilnehmern einer Bauernkundgebung in der Stadthalle. Dann forderte ihn die Menge vor der Stadthalle auf, sich Fragen draußen zu stellen. Dem kam Özdemir nach. Stets wurden seine Worte mit Buhrufen und Trillerpfeifen begleitet.

Özdemir betonte, dass er nicht mit den geplanten Subventionskürzungen für die Landwirte einverstanden sei. Er sei als Fachminister aber nicht mit einbezogen worden. «Wäre dies der Fall gewesen, wären die Beschlüsse so nicht gekommen», sagte Özdemir. Künftig dürfe so etwas nicht am grünen Tisch entschieden werden. Auch müsse der Berufsverband zwingend einbezogen werden.

Nicht für alle Fehler der Vergangenheit verantwortlich

Im Zuge von Einsparungen im Bundeshaushalt 2024 soll die Begünstigung beim Agrardiesel schrittweise abgeschafft werden. Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen – mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich wollte die Ampel-Koalition die Hilfe sofort ganz streichen. Nun soll es ein Auslaufen über drei Jahre geben.

Eine geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte hatte die Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche zurückgenommen. Özdemir sagte, dafür habe er sich eingesetzt. «Das ist ja nicht nix.» Er könne aber nicht für alle politischen Fehler der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich gemacht werden.

Mit ihren Blockaden, Kundgebungen und Traktorkorsos am Montag haben die deutschen Landwirte nach einer Umfrage zahlreiche Menschen im Land beeinträchtigt. In einer Umfrage des Instituts Yougov gab knapp jeder fünfte Befragte (19 Prozent) an, «verkehrstechnisch von den Bauernprotesten» am 8. Januar betroffen gewesen zu sein. Nicht gefragt wurde, inwiefern und wie stark die Menschen betroffen waren – ob sie beispielsweise im Stau standen und wie lange, ob sie Umwege genommen oder statt im Büro zu Hause gearbeitet haben.

Bei vielen Menschen stoßen die bundesweiten Proteste der Bauern auf Verständnis. In einer weiteren Yougov-Umfrage gaben 45 Prozent an, sie hielten die Aktionen für voll und ganz gerechtfertigt. Weitere 27 Prozent sehen die Proteste als «eher gerechtfertigt» an. Am höchsten ist die Zustimmung demnach in den höheren Altersgruppen. Dagegen hält der Umfrage zufolge insgesamt etwa jeder fünfte Befragte die Proteste nicht oder überhaupt nicht für gerechtfertigt.

Bauerverband will völlige Rücknahme der Kürzungen

Die Proteste sind Teil einer Aktionswoche bis zum 15. Januar. Damit richten sich die Landwirte gegen geplante Subventionskürzungen der Bundesregierung. Schrittweise abgeschafft werden soll danach die Steuerbegünstigung auf Agrardiesel. Dass die Ampelkoalition einen Teil ihrer Kürzungspläne zurückgenommen hat, reicht dem Bundesbauernverband nicht aus.

«Mit diesem faulen Kompromiss holt die Bundesregierung keinen Trecker von der Straße», sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied im ZDF-«Morgenmagazin». Er zeigte sich zufrieden mit den bisherigen Aktionen: «Die Proteste sind gut verlaufen, ordentlich verlaufen, wir haben die Rettungsgassen frei gehalten.» Die Landwirte behielten sich weitere Aktionen nach dem 15. Januar vor. Rukwied versicherte, die Demonstrationen seien nicht gegen die Bevölkerung gerichtet.

Wüst fordert vom Bund eine Agrar-Allianz

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst schlägt angesichts der anhaltenden Bauernproteste ein Gremium analog zur Kohlekommission vor. Es sei Zeit für eine «breite Agrar-Allianz» und einen «Gesellschaftsvertrag für die heimische Landwirtschaft», sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post».

«Aus der gesellschaftlichen Mitte heraus kann die Agrar-Allianz sowohl für Befriedung sorgen als auch Chancen für die heimische Landwirtschaft aufzeigen.» Der Bund solle eine Kommission mit allen relevanten Interessenvertretern zur Zukunft der Landwirtschaft einberufen.

«Das Höfesterben ist real»

Aus Sicht des NRW-Regierungschefs sollten unter der Koordination des Bundes Vertreter der Landwirtschaft, von Politik, Einzelhandel, Umwelt- und Tierschutzverbänden, Gewerkschaften und Wissenschaft zusammenkommen. Die Landwirtschaft müsse stark bleiben, viele Betriebe hätten aber bereits aufgegeben. «Das Höfesterben ist real.» Die Ampel-Koalition habe ihre Beschlüsse «einem ganzen Berufsstand einfach vor den Latz geknallt», kritisierte Wüst.