Einen Snack oder ein Getränk aus dem Regal nehmen, am Terminal selbst einscannen, per App oder EC-Karte zahlen und rausgehen – im smarten Lebensmittelladen geht das schnell und unkompliziert. Das schätzen auch die Kunden des personallosen Mini-Marktes «Teo» am Hanauer Hauptbahnhof.
An einem Werktag decken sich hier viele vor ihrer Reise oder zur Mittagspause rasch mit dem Nötigsten ein. Vor allem, dass die Klein-Märkte, die zur Supermarktkette Tegut gehören, auch dann offen sind, wenn andere geschlossen haben, findet ein 19-jähriger Kunde praktisch.
Doch nach einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) müssen die Türen der meisten Teo-Filialen in dem Bundesland nun sonntags zu bleiben – ein «herber Rückschlag» für das Unternehmen, das sich bisher zu den Vorreitern im Markt für smarte Lebensmittelläden zählte.
Deutschlandweit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte solcher «smart Stores». Weit verbreitet ist das Walk-In-Format, das sind Supermärkte mit oft reduzierter Ladenfläche. Die Kunden scannen die Produkte meist selbst und bezahlen an Selbstbedienungskassen.
In anderen Läden gibt es gar keine Kasse, die Produkte werden per Kamera erfasst. Die Kunden hinterlegen ihre Zahlungsdaten vor dem ersten Einkauf in einer App und können die Produkte einfach einpacken und den Laden verlassen («Grab&Go»). Der Einkauf wird automatisch abgerechnet, die Rechnung folgt per Mail. Einige Läden haben sieben Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet, einige sind mit Personal, andere ohne. Dort schaut einmal am Tag ein Mitarbeiter nach dem Rechten, füllt Regale auf und reinigt die Ladenfläche.
Lösung fürs Land, auch für Standorte mit hoher Frequenz
Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn, beobachtet die junge Branche seit Jahren. Ihm zufolge gibt es deutschlandweit etwa 200 Läden und 60 Betreiber. Die größten sind «Tante M» (56) und die zur Supermarktkette Tegut gehörenden Teo-Märkte (39).
Das Walk-In-Format eignet sich Experten zufolge einerseits für Lagen mit hoher Kundenfrequenz wie Flughäfen oder Bahnhöfe. Dort würden Warteschlangen sinken. «Viele Menschen mögen es nicht, anzustehen und betreten Läden deshalb nicht. Dadurch wird das Umsatzpotenzial vieler Geschäfte nicht ausgeschöpft», sagt Kai Hudetz vom Handelsforschungsinstitut IFH Köln.
Im ländlichen Raum machten Läden ohne Personal Sinn. Dort fehlt es einerseits an gut erreichbaren Einkaufsmöglichkeiten, und wegen der niedrigen Kundenzahl sind Läden mit Personal dort häufig nicht rentabel. Eine besondere Rolle spielt der Sonntag als zusätzlicher Verkaufstag. «Der Sonntag wird von Kunden sehr geschätzt. Der Umsatz ist so groß wie an zwei bis drei Werktagen zusammen», sagt Rüschen.
Tegut legt «Teo»-Expansionspläne auf Eis
Tegut berichtet sogar, dass die Sonntage mancherorts fast drei Viertel des gesamten Umsatzes der «Teo»-Märkte ausmachen. Unter den neuen Bedingungen müssten nun alle Standorte neu bewertet und ihre Rentabilität kritisch hinterfragt werden. Als Reaktion auf den VGH-Beschluss hat die Supermarktkette alle Expansionspläne für die Mini-Supermärkte vorerst gestoppt. Man wolle erst die nötige Rechtssicherheit haben, bevor weiter geplant werde, erklärt ein Sprecher.
Das Gericht hatte entschieden, dass eine von der Stadt Fulda verfügte Schließung der «Teo»-Läden an Sonntagen rechtens sei, da es sich um Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes handle. Seither müssen die Filialen in Hessen sonntags schließen – mit Ausnahme zweier Läden in Bahnhofsnähe. Weitere Filialen in Bayern und Baden-Württemberg sind nicht betroffen.
Die schwarz-rote Regierung in Hessen will nun eine Ausnahmeregelung finden, damit kleine digitale Märkte hessenweit an allen Sonntagen öffnen können. Nach den Worten von Steven Haarke, Mitglied der Geschäftsführung beim Handelsverband Deutschland, hat Mecklenburg-Vorpommern als erstes Bundesland kürzlich eine solche Regelung in seinem neuen Ladenschlussgesetz erlassen.
In Baden-Württemberg und Bayern ist auch Tante M aktiv und zudem in Rheinland-Pfalz. Anders als Tegut zeigt sich der Wettbewerber zuversichtlich für die Expansion. «Die Nachfrage ist riesig. Wir haben Anfragen aus allen Teilen der Republik und wollen expandieren. Unser Ziel sind 100 Filialen bis Ende 2024», heißt es von dem Anbieter.
Auch Rewe mischt mit bei den smarten Supermärkten. Deutschlandweit gibt es vier «Pick & Go»-Filialen. Das sind normale Rewe-Märkte in Großstädten mit Personal. Bezahlt wird bargeldlos und ohne Kasse. Ebenfalls zur Rewe-Gruppe gehört die «Nahkaufbox» – die personallosen Mini-Märkte finden sich in ländlichen Regionen. Rewe spricht bei beiden Formaten von einem Testlauf.
Branche in Bewegung
Neben den Walk-Ins gibt es noch Verkaufsautomaten, die entweder einzeln oder in Shop-Verkaufsräumen aufgestellt werden. Die Kunden wählen auf einem Bildschirm die gewünschten Lebensmittel aus, die automatisch kommissioniert und einem Ausgabefach entnommen werden können. Laut Rüschen gibt es bundesweit mehr als 300 solcher Läden und mehr als 250 verschiedene Betreiber. So testet der Immobilienkonzern Vonovia mit dem Unternehmen Late Bird in einem Münchner Wohnkomplex einen Automaten als Quartiershop. Bekannt ist das Konzept aus der Landwirtschaft – Bauern bieten über solche Automaten beispielsweise Milch und Eier an.
Handelsexperte Rüschen erwartet, dass weitere Betreiber auf den Markt drängen werden, bevor es zu einer Konsolidierung kommt. Dass die smarten Läden die normalen Supermärkte verdrängen, glaubt er nicht. «Die Smart Stores werden sich als relevante Nische etablieren.» Das Format mit Selbstbedienungskasse hat aus seiner Sicht bessere Zukunftschancen. Diese sei einfach sowie technisch weniger aufwendig und kostenintensiv als die «Grab&Go»-Variante. Voraussetzung für die weitere Verbreitung sei jedoch, dass eine Sonntagsöffnung möglich ist. Sonst falle das Kartenhaus in sich zusammen, so Rüschen.