• Fr. Nov 22nd, 2024

Ermittlungen wegen verfassungsfeindlicher Sabotage

Nur wenige Autos von Mitarbeitern der Tesla-Gigafactory Berlin-Brandenburg stehen vor dem Werk. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Patrick Pleul/dpa)

Der Anschlag auf die Stromversorgung des einzigen europäischen Tesla-Werks in Grünheide bei Berlin zieht Ermittlungen wegen verfassungsfeindlicher Sabotage nach sich.

Das Verfahren wegen des Tesla-Brandanschlags werde auch wegen Störung öffentlicher Betriebe und Brandstiftung geführt, teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), Carola Ochs, mit. «Die Ermittlungen werden nach wie vor in alle Richtungen gegen Unbekannt geführt und dauern an.» Der Generalbundesanwalt sei über das Verfahren unterrichtet. «Er wird entscheiden, ob er das Ermittlungsverfahren an sich ziehen wird.»

Die Produktion in der Tesla-Fabrik bleibt noch bis voraussichtlich Ende nächster Woche unterbrochen – viel länger als bisher gedacht. Das teilte das Unternehmen am Mittwochabend mit. Werksleiter André Thierig gab den Schaden am Dienstag mit Hunderten Millionen Euro an. Er ging darin aber von einem Ausfall nur in dieser Woche aus.

Bisher unbekannte Täter hatten am Dienstag auf einem Feld Feuer an einem Strommast gelegt, der auch für die Versorgung der Tesla-Fabrik zuständig ist. Die Produktion wurde gestoppt. Zehntausende Bewohner waren von Stromausfall betroffen. Die linksextreme «Vulkangruppe» hatte erklärt, sie sei für den Anschlag verantwortlich. Die Polizei hält ein Bekennerschreiben für echt. Sie sucht Zeugen, die die Straftat in der Nacht zu Dienstag bemerkt haben oder Angaben zu Tatverdächtigen machen können.

Faeser für hartes Handeln gegen Linksextremisten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dringt nach dem Anschlag auf ein hartes Durchgreifen gegen Linksextremisten. «Es scheint ja ein mutmaßlicher linksextremistischer Anschlag gewesen zu sein; das war ein schwerer Brandanschlag, der ja ganz, ganz viele Tausende, vor allem Haushalte auch vom Strom abgehängt hat», sagte die Ministerin am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Sie verurteile den Anschlag auch deshalb sehr scharf, weil er dazu geführt habe, dass in Kliniken und Arztpraxen der Strom ausgefallen sei, was lebensbedrohlich sein könne.

«Es ist, ehrlich gesagt, für uns ein Phänomen, was wir in den letzten Jahren schon sehen, dass der Linksradikalismus härter wird, gewaltbereiter und vor solchen Aktionen nicht zurückschreckt», sagte Faeser in einem Videointerview. «Und da muss jetzt hart gehandelt werden.» Die Staatsanwaltschaft müsse durchgreifen, «und man muss empfindliche Strafen auch spüren». Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte den Anschlag am Mittwoch verurteilt und von einem «Verbrechen» gesprochen.

Manche Supermarktkunden standen nach dem Anschlag vor teils leeren Regalen – doch das soll sich ändern: Ein großes Edeka-Logistikzentrum in Freienbrink bei Grünheide, das rund 500 Märkte in Berlin und Brandenburg beliefert, ist noch immer von Stromausfall betroffen. Mithilfe von zehn Notstromaggregaten rollte der Lieferverkehr für gekühlte und tiefgekühlte Waren wieder an, teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Die Stromversorgung sei aber noch unterbrochen: «Aktuelle Prognosen gehen von einer Wiederherstellung Ende nächster Woche aus.» Die Belieferung mit frischer Ware war zuvor laut Edeka deutlich eingeschränkt, die Handelskette lenkte Lieferströme über Sachsen-Anhalt und Niedersachsen um.

Innenminister fordert mehr Schutz

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sieht wichtige Netze und Anlagen in Deutschland nicht genug geschützt. «Alarmiert müssen wir sein, weil dieser Anschlag vorgestern früh hat gezeigt, dass wir in Deutschland viele solcher neuralgischen Infrastrukturpunkte haben, die faktisch nicht geschützt sind», sagte Stübgen im Deutschlandfunk. Er will analysieren lassen, wo Punkte sind, an denen Täter mit einfachen Mitteln größten Schaden anrichten könnten. Am Strommast, der Ziel des Anschlags war, führe das Stromkabel aus der Luft in die Erde. Notwendig seien etwa Zäune und Kameras sowie weitere Stromleitungen.

Autoforscher sieht geringeren Schaden

Der Branchen-Experte Ferdinand Dudenhöffer schätzt den bisher erwarteten Schaden des Produktionsstopps von Tesla in Grünheide geringer ein als das Unternehmen. «Der reine Produktionsausfall für eine Woche ist nach meiner Einschätzung nach der derzeitigen Marktlage eher mit Schäden von vielleicht 100 Millionen Euro vergleichbar», sagte der Direktor des Center for Automotive Research in Bochum der Deutschen Presse-Agentur. «Eine neunstellige Summe ist schon eine hohe Nummer, die nur nachvollziehbar ist, wenn sehr hohe Schäden an Maschinen durch den Brand bei Tesla entstanden sind.»

Dudenhöffer sieht bei dem Autobauer Möglichkeiten zum Auffangen des Ausfalls. «Derzeit können sie keine Autos bauen. Die Nachfrage für Elektrofahrzeuge ist im Moment aber auch schlecht», sagte Dudenhöffer. «Im Februar hat Tesla in Deutschland mit rund 6000 Neuzulassungen 22 Prozent weniger Fahrzeuge in den Markt gebracht als im Vorjahresmonat.» Die Tesla-Nachfrage leide auch in Märkten wie China. «Daher sind die Tesla-Werke in Shanghai und USA nach meiner Einschätzung aktuell nicht ausgelastet und können die Grünheide Ausfälle «auffangen».»

Für Sonntag ruft das Bündnis «Tesla den Hahn abdrehen» zum Protest gegen das Unternehmen auf. Eine Sprecherin sagte, die «Vulkangruppe» gehöre nicht zu dem Bündnis. Tesla wies Vorwürfe von mangelndem Umweltschutz zurück: «Für die Giga-Produktion pro Fahrzeug werden nur 2,28 Kubikmeter Wasser benötigt», schrieb Tesla-Manager Rohan Patel beim Portal X (früher Twitter). Das sei ein Drittel weniger als Branchendurchschnitt von 3,68 Kubikmeter Wasser.

Von Oliver von Riegen und Anne-Beatrice Clasmann, dpa