Autofahrer werden künftig auch Diesel tanken können, der zu 100 Prozent aus Abfallstoffen wie Frittenfett hergestellt wurde. Der Bundesrat stimmte einer Verordnung der Bundesregierung zu, die den Weg für die Einführung von Biodiesel frei macht.
Sogenannte paraffinische Dieselkraftstoffe, die aus Abfallstoffen und Pflanzenölen hergestellt werden, werden damit auch als Reinkraftstoff zugelassen. Bislang konnten sie dem herkömmlichen Diesel nur zu maximal 7 Prozent beigemischt werden. Künftig sollen sie auch 100-prozentigen Biodiesel aus zertifizierten, nachhaltigen Rest- und Abfallstoffen verkaufen dürfen. Meist handelt es sich um alte Fette aus Großküchen, aber auch Holzreste, Zelluloseabfälle oder Fischreste. Das Kürzel HVO100 bedeutet Hydrotreated Vegetable Oils: Mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle – zu 100 Prozent.
Da Biodiesel weniger CO2 verursacht als herkömmlicher Diesel, soll auf diese Weise auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt heute mehr als 14 Millionen Autos, Lastwagen und andere Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterwegs. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: «Mit HVO100 können wir die CO2-Emissionen im Verkehr kurzfristig senken.» Die Einsparung betrage bis zu 95 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Diesel.
Teurer als herkömmlicher Diesel
Wie der Bundesverband freier Tankstellen (BfT) mitteilte, wird der Biodiesel heute ausschließlich im öffentlichen Nahverkehr, von Logistikbetreibern und in der Landwirtschaft verwendet; an Tankstellen ist er noch nicht frei verfügbar. Aber das Potenzial in der Speditions- und Logistikbranche sei groß: «Wir schätzen, dass 80 Prozent der HVO-Nutzung gewerblich sein wird.»
Fraglich ist allerdings, in welchem Umfang der neue Treibstoff künftig verfügbar sein wird. Laut Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) wird die globale HVO-Produktion bis 2025 voraussichtlich 30 Millionen Tonnen überschreiten. Der finnische HVO-Hersteller Neste rechnet damit, dass biogene Kraftstoffe bis 2040 etwa 1 Milliarde Tonne Rohöl ersetzen können, was etwa 40 Prozent des weltweiten Bedarfs im Transport ausmacht.
Aufgrund höherer Produktionkosten ist der Biodiesel jedoch teurer als als das herkömmliche Äquivalent. Nach den Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, in denen HVO schon längst getankt werden kann, ist er 15 bis 20 Cent pro Liter teurer als fossiler Diesel, wie der BfT mitteilte. Der Bundesverband Energie-Mittelstand (Uniti), bei dem 40 Prozent der Straßentankstellen organisiert sind, erwartet, «dass in der ersten Anlaufphase HVO100 für Flottenbetreiber besonders interessant sein wird»: Sie können so CO2-Vorgaben auch mit bestehenden Fahrzeugen leichter erreichen. Wenn HVO-100-Diesel bei der Energiesteuer gegenüber fossilem Diesel entlastet würde, hülfe das der Wirtschaft und dem Klima zusätzlich.
Grundsätzlich für alle Dieselautos geeignet, offizielle Freigaben fehlen oft
«Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich dafür geeignet», sagte Wissing über die Frage, ob HVO100 dem Motor schade. «Es bedarf keiner technischen Anpassungen oder Umrüstungen der Fahrzeuge oder des flächendeckenden Tankstellennetzes», heißt es in einer Erklärung von ADAC, Uniti, Kfz-Gewerbe, Logistikverbänden und einigen Lkw-Herstellern. Der ADAC weist allerdings darauf hin, dass die Freigabe von Kraftstoff für einen Motor grundsätzlich beim Fahrzeughersteller liege. «Aktuell liegen solche Freigaben nur für wenige Modelle der Marken Audi, BMW, Citroën/Peugeot/Opel, Nissan, Renault/Dacia, Seat/Cupra, Škoda, Toyota, Volvo und VW vor.» Man brauche «dringend weitere umfassende Herstellerfreigaben für bisherige Pkw-Modelle», damit HVO100 von den Verbrauchern angenommen werde.
Ab wann der neue Kraftstoff verfügbar sein wird, ist noch nicht ganz klar. Uniti teilte mit, der Tankstellenmittelstand «steht in den Startlöchern»: Nach der Zustimmung im Bundesrat könnte HVO100 am 13. April in den öffentlichen Verkauf gehen. Laut ADAC werde der Biodiesel nicht gleich an jeder Tankstelle verfügbar sein, «sondern nach und nach erst flächendeckend angeboten werden».
Verbände befürworten Beschluss
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sprach gleichwohl von einem «guten Tag für die Umwelt und das Klima». Erneuerbare Kraftstoffe könnten einen maßgeblichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor leisten, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. «Auf dem Weg zu klimaneutralem Verkehr sind erneuerbare Kraftstoffe die passende und dringend notwendige Ergänzung zur tragenden Säule Elektromobilität.»
Auch der Automobilclub ADAC sprach von einem «weiteren Schritt auf dem Weg zu weniger CO2-Emissionen für Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren». Jetzt brauche es zwingend und schnell umfassende Freigaben der Autohersteller, damit die neuen Kraftstoffe von den Verbrauchern auch angenommen würden.